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Logistikmittwoch – Pioniere setzen den Green Deal der Europäischen Union um

Logistikmittwoch: Klimaneutralität und Nullemissionsmobilität bis 2050? Eine große Herausforderung, aber technisch machbar, ökonomisch lukrativ und ökologisch sinnvoll. Das ist eines der Ergebnisse der Videokonferenz  des Logistikmittwochs am 19. Mai, der vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, von Hessen Trade & Invest (htai), hessen mobil und dem Cluster Mobility im House of Logistics and Mobility (HOLM) unter der Überschrift „Green Deal – wie sieht eine effiziente und klimaneutrale Infrastruktur für Wirtschaftsverkehre aus?“ veranstaltet worden ist.

Wasserstoffzug Coradia iLint von Alsthom

Mit der Erzeugung und der Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für Lkw, Pkw und den vom RMV erworbenen Brennstoffzellenzug Coradia iLint von Alsthom setzt der drittgrößte Verkehrsverbund in Deutschland weltweit einen Maßstab, sagte Infraserv-Geschäftsführer Dr. Joachim Kreysing zu Beginn der Präsentationen von fünf Beispielen.

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Dr. Joachim Kreysing. Bild: Salome Roessler

Seit 2006 betreibt Infraserv eine öffentliche Wasserstofftankstelle, im nächsten Jahr soll die Tankstelle für Schienenfahrzeuge in Betrieb genommen werden, die bis zu 27 H2-Züge bedienen und einen Wasserstoffbedarf von 2.000 bis 2.400 kg pro Tag decken kann.

Power-to-Liquid Anlage
bei Infraserv Höchst

Darüber hinaus siedelt Infraserv mit Ineratec ein Unternehmen an, das im nächsten Jahr eine industrielle Power-to-Liquid-Anlage in Betrieb nehmen wird. Die Anlage nutzt CO2 aus einer Biogasaufbereitungsanlage und Wasserstoff, um jährlich bis zu 4,6 Millionen Liter E-Fuels zu produzieren, sagte Kreysing.

Das Überlandwerk Groß Gerau hat 2011 im Auftrag der Muttergesellschaft Mainzer Stadtwerke AG mit der Entwicklung und dem Aufbau des Energieparks Mainz begonnen. Zum Energiepark gehören ein 20kV-Anschluss an einen Windpark mit acht MW elektrischer Leistung und eine Elektrolyse-Anlage für die Herstellung von Wasserstoff mit einer Leistung von sechs MW.

Lkw-Trailer liefern den Wasserstoff

Mit einen Lkw-Trailer beliefert die Anlage die gemeinsame, von der Mainzer Stadtwerken und der ESWE in Wiesbaden betriebene H2-Tankstelle in Wiesbaden, die Teil des Projektes „H2-Bus Rhein-Main“ ist.

Bis Ende des Jahres sollen elf Brennstoffzellenbusse in Betrieb genommen werden.

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Jürgen Schmidt. Bild: Alexander Heimann

Bestehende Regularien behindern aber den Einsatz von Power‐to‐Gas, zudem verhindert der schleppende Ausbau von Anlagen für die Gewinnung grünen Stroms die Erzeugung nachhaltigen Wasserstoffs, sagte Jürgen Schmidt, Technischer Geschäftsführer der Überlandwerk Groß Gerau GmbH (Bild).

Weltweit ohne Beispiel ist die Entwicklung eines Binnenschiffs an der TU Berlin, das batterie- und brennstoffzellenelektrisch betrieben wird und im lokalen wie regionalen Verkehr eingesetzt wird. Unter Leitung von Prof Dr. Gerd Holbach, TU Berlin, entwickelt ein Team ein 20 Meter langes und acht Meter breites Schiff, das bis zu 1.400 t Schublast befördern kann. Im lokalen Betrieb hat das Schiff eine Betriebszeit von acht Stunden bei Geschwindigkeiten zwischen acht und zehn km/h. In diesem Modus nutz das Schiff die Batterie.

Elektra ermöglicht
emissionsfreien Transport in der Binnenschifffahrt

Im überregionalen Verkehr, etwa zwischen Berlin und Hamburg, ist das Schiff 16 Stunden im Betrieb und nutzt in diesem Modus nach Angaben von Prof. Dr. Holbach überwiegend die Brennstoffzelle als Energielieferanten.

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Das elektrisch angetriebene Schubschiff Elektra wird in einer Schiffswerft in Sachsen-Anhalt gebaut und kann emissionsfrei 1.400 Tonnen schwere Frachtschiffe schieben. Als Energiespeicher nutzt das Schiff Akkumulatoren (wiederaufladbare Batterien) und Brennstoffzellen.
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Prof. Dr. Gerd Holbach, TU Berlin.

Der Wasserstoff für den Betreib liefern Lkw-Trailer oder die Bahn. Das Fazit Prof Dr Holbachs: Lokal und global emissionsfreier Transport auf dem Wasser in Metropoleregionen und überregional ist machbar, leistungsfähige Binnenschiffe mit H2-Brennstoffzellen und Akkumulatoren als Energiespeicher sind realisierbar.

Das Energiesystem der Elektra ist nach Einschätzung von Prof Dr Holbach eine Blaupause für die Binnen- und Küstenschifffahrt. Aber: „Vorschriften und Gesetze müssen geschaffen werden, die den ökonomischen Einsatz der Technologie ermöglichen.“

 

Migros folgt einem Multi Tech Approach

Migros ist mit knapp 29 Milliarden Franken Umsatz und mehr als 100.000 Beschäftigten der größte Einzelhändler der Schweiz. Das Unternehmen folgt einem Multi Tech Approach und testet verschiedene Energieträger für den Betrieb der Lkw-Flotte. Dazu zählt der  Einsatz von Biogas, die Verwendung von wiederaufladbaren Batterien für die Transporter und der Einsatz von Wasserstoff.

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Rainer Deutschmann, Migros

Um das Henne-Ei-Problem zu lösen, um also eine Antwort auf die Frage zu geben, ob zuerst die Tankinfrastruktur aufgebaut oder zuerst H2-Lkw angeschafft werden sollen, hat Migros nach Angaben von Rainer Deutschmann, Direktor der Direktion Logistik & Transport des Migros Genossenschaftsbunds (Bild), im Mai 2018 zusammen mit Agrola, Avia, coop, fenaco u.a. die Association pro H2 Mobility Switzerland gegründet.

Die Arbeitsweise der Vereinigung nennt Deutschmann Co-Optition, die gleichzeitige Kooperation und Wettbewerb der Mitglieder meint, um die Wasserstoffinfrastruktur für die Schweiz aufzubauen. Acht Wasserstofftankstellen sind seither in der Alpenrepublik eingerichtet worden, eine neunte wird derzeit im Tessin gebaut. Migros hat inzwischen 20 H2-Lkw von Hyundai in Betrieb genommen.

LT Opex-Tower Software für
die Supply Chain und die Emissionskontrolle

Zudem nutzt Migros die LT Opex-Tower Software, um die gesamte Lieferkette des Unternehmens zu kontrollieren und zu steuern.

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Mit der LT Opex-Tower Software kann Migros die gesamte Lieferkette kontrollieren und steuern und hat tagesaktuell einen Überblick, wie viel CO2-Ausstoß durch den Einsatz emissionsfreier Lieferfahrzeuge vermieden werden konnte.

„Die Software leistet zudem einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduktion der Transportflotte“, berichtet die Schweizer Handelszeitung. „Sie verknüpft die Daten der rund 600 täglichen Touren in der Schweiz mit geografischen und topografischen Daten und visualisiert die genauen Routen und deren Höhenprofile. Das erlaubt nicht nur die genaue Berechnung des Schadstoffausstosses der Lieferfahrzeuge, sondern natürlich auch die Optimierung desselben. Dazu wird für die jeweilige Tour die geeignete und möglichst umweltfreundliche Antriebstechnologie ausgewählt.“

Die Software ermöglicht es auch, tagesaktuell zu erfassen, wie viel klimaschädliches CO2 durch den Einsatz von Biogas und batterie- und brennstoffzellenelektrischen Lkw eingespart wird.

Übergabe der ersten sieben Wasserstoff-Lastwagen Hyundai Xcient Fuelcell im Oktober 2020 im Verkehrshaus Schweiz an die Mitglieder des Fördervereins H2 Mobilität Schweiz. Bild: TIR Trans News

„Es reicht nicht, einen einzelnen Elektrolastwagen auf die Strasse zu bringen – die Migros setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz. Zusammen mit herausragenden Partnern testen wir verschiedene Technologien auf ihren Effekt für die Dekarbonisierung“ sagte Deutschmann vor zwei Jahren bei der Vorstellung der Initiative zur Dekarbonisierung und Digitalisierung des Güterverkehrs in der Schweiz.

Hyundai fertigt den H2-Lkw
als erster Hersteller in Serie

Der südkoreanische Fahrzeughersteller Hyundai hat bereits Ende 2018 die FCEV Vision 2030 vorgestellt. Damals sagte der Konzernvorstand Eui-Sun Chung: „Als First Mover in der kommenden Wasserstoffwirtschaft werden wir eine Gesellschaft anführen, die Wasserstoff als Hauptenergiequelle nutzt.“ Auf dieser Grundlage hat Hyundai eine Wasserstoffstrategie für Europa aufgelegt und die Schweiz als erstes Land auserkoren, um die Strategie umzusetzen, sagte Mark Freymüller, CEO Hyundai Hydrogen Mobility bei der Präsentation des Projektes.

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Hyundai Xcient Fuell Cell, der erste weltweit in Serie produzierte schwere Lkw mit Brennstoffzellen-Elektroantrieb. Das Zugfahrzeug hat eine Reichweite von 1.000 km pro Tankfüllung.
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Marc Freymüller, Hyundai Hydrogen Europe

Im Oktober 2020 hat Hyundai die ersten sieben Xcient Fuell Cell im Verkehrshaus der Schweiz an Unternehmen, u.a. an Migros, übergeben. Inzwischen fahren 46 Fahrzeuge im regulären Betrieb. Nach Angaben von Freymüller haben die Fahrzeuge bislang mehr als 650.000 Kilometer zurückgelegt und den Ausstoß von mehr als 500 t CO2 vermieden. Die maximale Distanz, die die Fahrzeuge an einem Tag zurückgelegt haben, liegt bei 678 Kilometer.

„Die Schweiz zeigt, dass es wirtschaftlich funktioniert“, sagte Freymüller. Bis 2025 sollen 1.600 Wasserstoff-Lkw in Betrieb genommen werden. Von 2022 an will Hyundai 2000 Fahrzeuge im Jahr herstellen.

Hyundai hat sich aus drei Gründen für die Schweiz entschieden, um die europäische Strategie auszurollen: Das sind Engagement, Preis und steuernde Maßnahmen (Bild).

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Hauke Engel, McKinsey Frankfurt am Main.

Zuvor hatten Hauke Engel (McKinsey) und Thorsten Koska (Wuppertalinstitut) über das Thema Klimaneutralität und Kosten der Transformation hin zur Nachhaltigkeit diskutiert. Beide Experten hatten an Studien aus ihren Häusern mitgearbeitet, die im vergangenen Jahr veröffentlicht worden sind – Engel an der Net Zero Europe und Koska an der Studie „CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze„.

Beide Experten waren sich einig, dass die CO2-Bepreisung allein nicht ausreichen wird, um Klimaneutralität zu erreichen. Der Verkehrssektor sei sehr preisinsensitiv, weshalb eine Steuerungswirkung erst entstehe, wenn der CO2-Preis sehr hoch sei. Deshalb bedarf es einer aktiven Industriepolitik mit einem ganzheitlichen Ansatz, um das Ziel zu erreichen. Darüber hinaus sind stärkere Push- und Pull-Maßnahmen notwendig, im letzteren Fall etwa die Neuverteilung des Straßenraums.

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Thorsten Koska, Wuppertalinstitut.

Die Kosten der Transformation mit sauberer Technologie beziffert Hauke Engel mit 82 Billionen Euro in der EU-27 in den nächsten 30 Jahren. Allerdings seien das keine zusätzlichen Ausgaben, sondern Geld, das zum guten Teil ohnehin für die Modernisierungen ausgegeben werde.

Beide Experten waren sich auch darin einig, dass die Wende hin zur Klimaneutralität mach- und finanzierbar ist. Unterschiedliche Einschätzung hatten die Diskutanten wie auch Referenten über Ausmaß und Einsatz von Wasserstoff.

 

Die Fakten zur Lage des Planeten

  • Der Verkehrssektor in der EU verursacht rd 28% aller CO2-Emissionen in der EU-27.
  • Dem Verkehrssektor ist es seit 1990 nicht gelungen, den Ausstoß des klimaschädigenden Gases zu verringern – der Verkehrssektor leistet bislang keinen Beitrag zu den in Paris 2015 vereinbarten Klimazielen.
  • UN-Generalsekretär Antonio Guterres fordert im Dezember 2020 die Regierenden der Welt auf, den Klimanotstand auszurufen.
  • Der Präsident der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), Prof. Dr. Gerhard Adrian, gleichzeitig Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sagt Anfang 2020 über den Klimawandel: „Alle wichtigen Stellschrauben drehen sich unverändert in die falsche Richtung. Die Menschheit hat die Sturmglocke bisher noch nicht hören wollen.“
  • Die globale Durchschnittstemperatur für den Zeitraum 2015-2019 liegt 1,1 ° C über dem Wert im Zeitraum vom 1850-1900.
  • Die vergangenen sechs Jahre sind die sechs wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung gewesen.
  • In Verkhoyansk (Russland) jenseits des Polarkreises sind 2020 mit bis zu 38° C die höchsten je gemessen Temperaturen registriert  worden
  • Der antarktische Eisschild schmilzt schneller denn je – im Schnitt verliert die Eismasse am Südpol zwischen 175 und 225 Gt Eis in jedem Jahr.
  • Knapp 10 Mio Menschen sind im ersten Halbjahr 2020 aufgrund von Wetterextremen und -katastrophen geflohen
  • Die Pandemie und die drastische Abnahme der Verkehrsleistung hat praktische keine Auswirkungen auf die Erderwärmung: Der Temperaturanstieg ist lediglich um 0,01° gebremst worden
  • Der Internationalen Währungsfonds schätzt, dass fossile Brennstoffe weltweit mit rd 4,7 Billionen US-Dollar jährlich subventioniert werden
  • Die EU ist mit knapp 290 Mrd US-Dollar der viertgrößte Subventionierer fossiler Brennstoffe weltweit.
  • Selbst wenn alle Vertragsstaaten des Pariser Abkommens von 2015 ihre gemeldeten Klimaschutzbeiträge erbringen, liegt die Durchschnittstemperatur zum Jahrhundertende bei plus 2,9 °C über dem vorindustriellen Niveau – und damit um 1,4° höher als vereinbart.
  • Allein der Straßenverkehr emittiert 71% aller Emissionen im Verkehrssektor

 

Die Reihe „Logistikmittwoch“:
Dokumentation der Veranstaltungen

Unter diesem Link finden Sie die Videomitschnitte der Veranstaltungen in der Reihe „Logistikmittwoch“, die in Zusammenarbeit von Hessischem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, von Hessen Trade & Invest (htai) und hessen mobil organisiert werden.

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