Herr Prof. Ringat, der RMV hat entschieden, in den nächsten Jahren einen Zug vom Hersteller Alstom einzusetzen, dessen Energie aus der Brennstoffzelle kommt und aus Wasserstoff gewonnen wird. Warum machen Sie das?
Das passt zum Motto der diesjährigen Innotrans „Future of Mobility“. Genau darüber denken wir nach. Natürlich ist der öffentliche Nahverkehr ein sehr ökologisches Verkehrsmittel. Der CO2-Ausstoß beträgt nur ein Viertel von dem des motorisierten Individualverkehrs. Große Teile des öffentlichen Nahverkehrs fahren ja schon elektrisch, aber nicht alle. Es gibt Verbünde, da wird bis zu 90% elektrisch gefahren. Es gibt aber auch Verbünde, da fährt man 20% elektrisch. Wenn wir heute Strom im Schienenverkehr verbrauchen, entstehen die Emissionen woanders, dort, wo der Strom gewonnen wird. Natürlich sind wir emissionsfrei dort, wo wir elektrisch fahren. Wenn wir nun darüber nachdenken, Emissionen erst gar nicht entstehen zu lassen, und das in der Metropolregion FrankfurtRheinMain, in der wir in Hülle und Fülle quasi als Abfallprodukt täglich Millionen Tonnen von Wasserstoff produzieren, dann ist das eine spannende Sache.
Halten Sie die Metropolregion FrankfurtRheinMain für einen besonders geeigneten Standort für diese Innovation im Schienenpersonenverkehr?
Ja, sie ist besonders geeignet, weil es erstens schon ein großes Know how beispielsweise beim Land Hessen und bei der Hessenagentur gibt. Aber auch Firmen, die ansässig sind in FrankfurtRheinMain beschäftigen sich schon lange damit. Vor allem haben sie Erfahrung mit der Produktion von Wasserstoff als Grundmittel für eine solche Technologie und bezüglich der Betankung. Wir hoffen natürlich, dass wir mit einem solchen Projekt Erfahrungen sammeln, wie man bestimmte Dinge, die wir heute schon gut machen, vielleicht noch besser machen können, um mehr Menschen und vor allem eine höhere Akzeptanz erreichen zu können in der Betrachtung des Systems ÖPNV. Wenn das laut ist, wenn das dreckig ist, dann ist die Akzeptanz eine schlechtere als wenn wir diese Indizes halt nicht haben.
„Wir haben Situationen in Deutschland, da macht das Sinn, dass wir auf der Schiene künftig mit Wasserstoff fahren. Es ist eine Alternative an vielen Stellen, auch im Blick auf die Investitionen, auch im Rahmen der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit.“
Heute Morgen haben hier auch drei Landesverkehrsminister unterzeichnet. Der Vorgang als solcher ist nicht alltäglich. Signalisiert das die hohe Bedeutung dieser Innovation für den ÖPNV?
Ja klar. Wir haben Situationen in Deutschland, da macht das Sinn, dass wir auf der Schiene künftig mit Wasserstoff fahren. Es ist eine Alternative an vielen Stellen, auch im Blick auf die Investitionen, auch im Rahmen der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit.
Haben Sie das in dieser Dimension schon einmal erlebt?
Nein. Dass sich Bundesländer unter die Arme greifen, das erleben wir schon hin und wieder. Wir erleben es beispielsweise mit einem Augenzwinkern bei der derzeitigen Diskussion um die Verteilung der Regionalisierungsmittel. In der aktuellen Situation ist es sicherlich auch nicht schwer, das zu erreichen, weil der Bund etwas mitfinanziert, weil wir mit Alstom ein Unternehmen haben, dem wir das zutrauen. Und weil wir alle gemeinsam mit diesem Unternehmen auch schon viele Jahre zusammenarbeiten. Da ist Vertrauen da.
Aber in diesem Tempo?
Ich habe es noch nicht erlebt, dass so schnell, so ad hoc und natürlich auch auf einer solchen Messe wie der Innotrans drei Verkehrsminister und ein Verkehrsverbund eine Absichtserklärung für ein Zukunftsprojekt unterzeichnen und sagen, das machen wir gemeinsam. Ich stehe hier ja auch für unseren hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir.
Macht es Sinn, auf der Schiene Wasserstoff als Energieträger zu nutzen?
Wir haben Situationen in Deutschland, da macht das Sinn, dass wir auf der Schiene künftig mit Wasserstoff fahren. Es ist eine Alternative an vielen Stellen, auch im Blick auf die Investitionen, auch im Rahmen der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit. Wir wollen natürlich sehen, ob das alles funktionieren kann, ob Wasserstoff immer verfügbar ist und da nichts Schlimmes passiert. Wie sieht es mit der Sicherheit aus? Dass man in diesem Rahmen Erfahrungen sammelt, sich aber heute schon darüber im Klaren ist, dass das die Zukunft ist, das gibt’s einfach sehr selten.
Und jetzt müssen Erste natürlich Mut haben, auch zu investieren und zu schauen, ob das funktioniert.
„Und jetzt müssen Erste natürlich Mut haben, auch zu investieren und zu schauen, ob das funktioniert.“
Wann und wo soll der Brennstoffzellenzug im RMV eingesetzt werden?
Das können wir noch nicht sagen. Aber wenn Sie auf das Liniennetz des RMV schauen, dann gibt es drei Linien, die noch nicht unter Fahrdraht sind. Das „Taunusnetz“ mit gegebenenfalls verbleibenden nicht-elektrifizierten Steckenteilen der Taunusbahn, der Königsteiner-Bahn sowie der Ländchesbahn Limburg – Wiesbaden könnte eine Möglichkeit sein, um solche Fahrzeuge einzusetzen,. Ich gehe davon aus, dass, wenn das Projekt gut läuft, wir auf erste Fahrzeuge in Deutschland gar nicht viele Jahre warten müssen, sondern zwei bis drei Jahre.
Elektromobilität und die Wasserstofftechnologie sind Teil des großen Projektes Energiewende. Mit dem Wasserstoff haben wir die Möglichkeit, Sonnen- oder Windenergie, die aktuell nicht gebraucht wird, zu speichern. Brauchen wir nicht eine große Allianz von Verkehrsverbünden, von Mobilitätsanbietern um zu sagen, wir stehen hier an einem Punkt, wo wir in eine sehr gute Zukunft gehen können?
Per se gibt es diese Allianz. Ich bin Vizepräsident im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, bin im Präsidium des VDVs, wir sprechen hier schon seit vielen Jahren über das Thema Wasserstoff, über das Thema Wasserstoff auf Schienenfahrzeugen und in Bussen. Jetzt sind wir an einer Entwicklungsscheide, wo man sagt, die Technologie ist so weit ausgereift, dass es eine Technologie sein könnte für die Zukunft. Einig unter den Akteuren ist man sich dazu. Und jetzt müssen Erste natürlich Mut haben, auch zu investieren und zu schauen, ob das funktioniert. Die Energiewende, die ist wichtig. Und wir subsummieren im Moment alle Themen, die dem Grunde nach für eine Nachhaltigkeit, für eine ökologisch vernünftige Abbildbarkeit unserer Branche in der Zukunft stehen, unter dem Stichwort Elektromobilität. Aber eigentlich sollte man da inzwischen einen neuen Begriff wählen, weil zur Elektromobilität inzwischen auch der Wasserstoff zählt.
Interview: Jürgen Schultheis
Weiterführende Links:
Pressemitteilung von Alstom
„Alstom unterzeichnet erste Absichtserklärungen über den Einsatz von neuen, emissionsfreien Schienenfahrzeugen“
Pressemitteilung des hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung:
„Minister Al-Wazir begrüßt Pionierarbeit des RMV beim Einsatz der Brennstofftechnologie“
Innotrans – Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik, Innovative Komponenten, Fahrzeuge und Systeme