Für Europa

Jetzt, da der satte Pöbel die Axt gegen den Baum der Freiheit schwingt, der Europa heißt, und der Ungeist Tweed trägt, muss an dieser Stelle aus den Notizen von Max Horkheimer zitiert werden.

„Die Demokratie, deren Wähler nicht zugleich erleuchtet und human sind, muß schließlich den skrupellosesten Progandisten anheimfallen. Die Entfaltung der Massenbeeinflussungsmittel Zeitung, Rundfunk, Fernsehen, Umfragen in Verbindung und Wechselwirkung mit dem Rückgang der Bildung müssen notwendig  zu Diktatur und Rückgang der Humanität führen.“

Max Horkheimer, Gesammelte Werke, Notizen 1956 – 1958″ (aus einer Zeit, in der Frankfurt am Main die Stadt des Geistes und des Geldes war)

Die Folgen der Digitalisierung und die Anforderungen der Wissensökonomie

Die Wissensökonomie steht heute im Schatten der Digitalisierung. Doch der Entwurf einer allumfassend virtuellen Welt verstellt den Blick auf die Notwendigkeit physischer Interaktion und kreativer Prozesse, wie sie durch die Wissensökonomie beschrieben werden. So wertvoll die Kommunikations-Instrumente sind, die uns im Zuge der Digitalisierung bereitgestellt werden – face-to-face-Kontakte werden sie nicht ersetzen können. Denn Vertrauen als Basis erfolgreicher Kooperation entsteht nur im physischen, niemals allein im virtuellen Raum. Weshalb sich Marshal McLuhan fundament geirrt hat, als er Ende der 60er Jahre glaubte, die neue Informations- und Kommunikationstechnologie werde Städte wie New York überflüssig machen. Im US-Magazin Skift ist jetzt ein Beitrag von Greg Oates zum Thema Wissensökonomie und Airport Cities erschienen.

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Ethik der Mobilität: Dokumentation der Diskussion im HOLM in Frankfurt am Main

senator loren legarda
Senator Loren Legarda

Ethik der Mobilität – Mitte März dieses Jahres gibt die philippinische Senatorin Loren Legarda (Bild) das aktuelle Stichwort zur Diskussion: In der philippinischen Hauptstadt Manila sind Politiker und Wissenschaftler zusammengekommen, unter ihnen der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore, um im Rahmen des 31st Climate Reality Leadership Corps Training über Klimawandel und Gerechtigkeit zu diskutieren. „Justice is giving everyone their due“, sagt Legardo.

Und:  “The injustice here is that the Philippines is minor emitter of greenhouse gases with only 0,3% of global emissions, but it is among the most vulnerable to climate change impacts.” 2013 haben 30 tropische Wirbelstürme und 13 Taifune Teile des Landes verwüstet. Die Philippinen gehören deshalb zu den Staaten, die am schwersten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Wo liegt unsere Verantwortung, und welche Bedeutung hat Ethik in dieser Frage?

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Verkehr, Mobilität, Ethik, Jürgen Schultheis

Ethik der Mobilität – wie viel Verkehr können wir noch verantworten?

Verkehr – Mobilität – Ethik – Nachhaltigkeit: Unter dem Titel „Ethik der Mobilität – wie viel Verkehr können wir noch verantworten“ diskutieren WissenschaftlerInnen und Praktiker am Dienstag, 19. April 2016, zum Abschuss des 3. Deutschen Mobilitätskongresses im House of Logistics and Mobility in Frankfurt am Main.

Es diskutieren (im Uhrzeigersinn: Es diskutieren (in alphabetischer Reihenfolge): Thomas Biedermann (Vorstand TÜV Rheinland), Prof. Dr. Brigitta Hermann (Professor of Globalization, Development Policies and Ethics, Cologne Business School), Sabine Nallinger (Vorständin Stiftung 2Grad – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz und Stadträtin in München), Prof. Dr. Stephan Rammler (Hochschule für Bildende Künste, Institut für Transportation Design und Autor des Buches „Schubumkehr“) und Peter Siegert (Key Account Flotte & Green Mobility, Mitsubishi Deutschland). Moderation: Jürgen Schultheis.

Personenbeförderung, Gütertransport und Datenübertragung bilden in ihrer Gesamtheit als Verkehr die Grundlage für Freiheit und Wohlstand. Zugleich beruht der Verkehr zu 94 Prozent auf der Verbrennung fossiler Energieträger – rund ein Viertel des globalen Ausstoßes von klimaschädlichen Treibhausgasen kommen aus den Auspuffrohren, Triebwerken und Schornsteinen von Fahrzeugen (Lkw, Pkw, Flugzeug und Schiff).

Die Frage lautet deshalb: Wie viel Verkehr können wir angesichts der aktuellen Belastungen und den Prognosen noch verantworten? Gibt es einen Wertekanon für unsere Mobilität? An welchen normativen Vorstellungen können wir uns orientieren. Denn was Vittorio Hösle für die Politik im allgemeinen fordert, gilt im Besonderen auch für die Verkehrspolitik in einer Weltverantwortungsgemeinschaft.

„Ohne normative Vorstellungen über das, was politisch erstrebt werden darf und soll, kann Politik nicht mehr sein als kleinlicher Machtkampf. Ja, im Grunde ist das Fehlen eines Leitbildes noch beängstigender als der Mangel an treffenden Beschreibungen der Wirklichkeit und ihrer Entwicklungstendenzen“, schreibt Hösle im 1997 erschienen Werk Moral und Politik – Grundlagen einer politischen Ethik für das 21. Jahrhundert“.

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Dekarbonisierung im Jahresrückblick 2015

Dekarbonisierung im Jahresrückblick 2015: Das Jahr des Ausstiegs des Norwegischen Staatsfonds und der Allianz aus Investments in fossilie Energieträger, das Jahr, in dem die G7 auf Schloß Elmau die Dekarbonisierung beschlossen haben und der Papst in seiner Enzyklika „Laudato si“ eine unmissverständliche Aufforderung zum Schutz der Erde ausgesprochen hat, und vor allem ein Jahr, in dem sich 195 Staaten Mitte Dezember auf ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zum Klimaschutz geeinigt haben, das Verpflichtungen für alle  Staaten enthält.

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Max Horkheimer

So viel Klarheit war nie, und doch ist das alles zu wenig angesichts des Energiehungers der Industriestaaten und Schwellenlnder und angesichts der grassierenden Pleonexie, des Immer-mehr-haben-Wollens des Menschen. Deshalb eine kleine Erinnerung an Max Horkheimers „Kritik der instrumentellen Vernunft“ (Eclipse of Reason):

„Nichtsdestoweniger wird Natur heute mehr denn je als ein bloßes Werkzeug des Menschen aufgefaßt. Sie ist das Objekt totaler Ausbeutung, die kein von der Vernunft gesetztes Ziel und daher keine Schranke kennt. Der grenzenlose Imperialismus des Menschen ist niemals befriedigt.“

Es wird also in Zukunft darum gehen, die sich selbst verpflichtenden Institutionen und Staaten an ihr Abkommen und die damit verbundenen Ziele zur Dekarbonisierung zu erinnern – aber auch darum, unser eigenes Verhalten zu ändern, weil wir aus den Augen verloren haben, wie an den Werkbänken der Welt vor allem im fernen Asien Billiglöhner für unsere „billigen“ Waren schuften.

Vittorio Hösle
Vittorio Hösle

Es mag unbequem sein, vor allem für Politiker, aber die Medizin für unsere Pleonexie ist ja verfügbar. Vittorio Hösle , Professor für Politische Theorie an der University of Notre Dame (USA) inbietet sie seit 1990 an:

„Wir müssen wieder lernen zu sagen. ,Das ist genug´; wir müssen die Grenze wieder lieben lernen. Wir brauchen asketische Ideale.“   

Weitere Informationen zum Divestment gibt es hier.

Industrie 4.0 – das Beispiel Rio Tinto

Mit Schlagworten wie Industrie 4.0, Augmented Reality und Digital Transformation beschreiben Experten heute Arbeits-, Produktions- und Vertriebsweisen der Zukunft, die vor allem durch eine umfassende Digitalisierung möglich werden.

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Autonomous Trucks von Rio Tinto in der Pilbara Grube

Was hier zu Lande noch wie Zukunftsmusik klingt, ist beim Bergbaukonzern Rio Tinto in Australien in diesem Jahr Alltag geworden: Das Unternehmen hat in zwei Minen in der Pilbara Region 69 unbemannte schwere Lastkraftwagen im Einsatz, die pro Monat rund 20 Millionen Tonnen Eisenerz bewegen. Die mächtigen Fahrzeuge des japanischen Herstellers Komatsu werden von einem Team im 1200 km entfernten Perth ferngesteuert.

Neben den schweren Lkw hat Rio Tinto inzwischen auch ferngesteuerte Züge in Betrieb genommen, die das Eisenerz aus der Region in die Hafenstädte im Westen bringen. 41 ferngesteuerte Züge sollen demnächst in Betrieb gehen. Bis 2017 sollen darüber hinaus ferngesteuerte Bagger und Bohrer mit Hilfe von Augmented Reality den Abbau des Eisenerzes übernehmen.

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Neuer Schwung? Frankfurt RheinMain 2020+ und der Tag der Metropolregion

90 Jahre sind keine Zeit für ein großes Projekt – deshalb nimmt das Land Hessen und die Metropolregion FrankfurtRheinMain wieder einmal Anlauf, um eine Internationale Bauausstellung (IBA) zu organisieren. Diesmal heißt das Projekt „Frankfurt Rhein-Main 2020+“ und kommt aus den Reihen der schwarz-grünen Landesregierung in Wiesbaden.

Weil nun mit einem Male wieder so viel Schwung in der löblichen Sache war, wollte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann nicht Abseits stehen – und rief umgehend zum „Tag der Metropolregion“ in den Frankfurter Römer, in dessen Verlauf auch eine Erklärung verabschiedet worden ist, aber ohne Landesvertreter, weil sie, wie es hieß, zu spät eingeladen worden seien.

Neu ist das alles nicht – neu ist lediglich, dass die Initiative dieses Mal vom Land Hessen kommt und durch das Frankfurter Solo konterkariert worden ist. Kaum also gibt es mutmaßlich neuen Schwung, da hängt schon wieder der Haussegen schief zwischen Stadt, Region und Land. Ludwig Landmann, jener weitsichtige Frankfurter Oberbürgermeister, der die Idee des Rhein-Mainischen Städtekranzes entwickelt hat, wird sich noch ein paar Jahrzehnte gedulden müssen, bis es so recht vorangeht mit Stadt und Region.

Ein kluger und erfolgreicher Mann einer Internationalen Bauausstellung, die weltweit Schlagzeilen gemacht hat, schrieb mir im Oktober 2001: „Beachtet und geachtet wird draußen, wenn die Meßlatte so hoch liegt, daß mit Spannung das Scheitern oder das Überspringen verfolgt wird. Dafür muss ein Ziel für eine zumindest 10 Jahre währende Arbeit markiert werden. Auf dem Weg dorthin muss eine wachsende Spannung entstehen bis zur Eröffnung der Ausstellung. Und diese Ausstellung wird kein Event sein wie eine Gartenschau  oder eine Europäische Kulturhauptstadt doer eine Fußballweltmeisterschaft. Denn auch diese Event-Hüllen wirken abgespielt.“

Der Absender des Briefes war Karl Ganser, der Direktor der Internationalen Bauausstellung Emscher Park. Der erfahrene Macher benannte damals drei Themen für FrankfurtRheinMain, die es seiner Meinung nach „in sich haben“: Der Regionalpark, die Idee der offenen Stadt als tabubrechendes Experiment und die Idee, der virtuellen Community und der Wissensgesellschaft reale Welten zur Auseinandersetzung anzubieten.

Alles Weitere zum Thema gibt es hier: Die Entstehungsgeschichte der „Landschafts- und Strukturausstellung Regionale“, die ich damals – angeregt durch das Erlebnis IBA Emscher Park – zusammen mit dem Sprecher der IHK Frankfurt am Main, Matthias W. Send, auf den Weg gebracht habe. Und die am Ende, nachdem sie in die Metropolitana umfirmiert worden war, wie alle anderen Initiativen gescheitert ist.

Karl Ganser muss das schon 2001 geahnt haben. Er äußerte schon damals die Befürchtung, dass FrankfurtRheinMain zu satt und deshalb unfähig sei, eine so große Aufgabe gemeinsam zu meistern.

Brennstoffzellenforum im HOLM – Wasserstoff als Energieträger im Verkehr

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Bus mit Wasserstoffantrieb / Brennstoffzelle

Mit einer Begleitausstellung zum 14. Brennstoffzellenforum, das heute im House of Logistics and Mobility (HOLM) stattfindet, informieren HessenAgentur und die H2BZ Initiative über verfügbare Techniken, um den Personenverkehr weniger umweltwirksam zu managen. Die Autohersteller Honda und Hyundai stellen ihre Fahrzeuge vor, die mit Brennstoffzellen ausgestattet sind. Besucherinnen und Besucher können die Autos probefahren.

Die Diskussion zum Abschluss des Forums kann im Live-Stream angesehen werden.

Es sprechen und diskutieren unter anderem Jochen Bard, Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, Reinhold Wurster von der Ludwig-Bökow-Systemtechnik GmbH, Dr Sirko Ogriseck, Infraserv GmbH, Christian Winzenhöler vom Omnibusbetrieb Winzenhöler, Jürgen Schmid von den Überlandwerken Groß Gerau GmbH und Stefan Schrank von Alstom Transport Deutschland GmbH.

Die Diskussion leitet HOLM-Sprecher Jürgen Schultheis.

Weitere Informationen auf der HOLM-Website

Fatih Birol: „Wer den Klimawandel ignoriert, macht einen Fehler“

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Fatih Birol, IEA

„Wir müssen das Energiesystem in absehbarer Zeit dekarbonisieren. Der Klimawandel bedeutet eine Bedrohung für unser aller Leben. Und zwei Drittel der Emissionen, die den Klimawandel auslösen, kommen aus dem Energiesektor. Hier müssen wir ansetzen und wissen: Wenn das schiefgeht, sind wir nicht zu retten. Wenn die Lösung im Energiesektor misslingt, wird der Kampf gegen die Erderwärmung unmöglich.“

Fatih Birol, Executive Director International Energy Agency (IEA), Paris

Das komplette Interview gibt es hier: SZ-Interview Fatih Birol.

Paris und Brüssel erhöhen ihre Attraktivität für Radfahrer und Fußgänger

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Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, will den Radverkehr fördern. Bild: Inès Dieleman

Europas Hauptstädte erhöhen die Lebensqualität in den Cities und geben Signale für eine nachhaltige Mobilität in der Stadt: Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo will den Durchgangsverkehr aus vier zentralen Bezirken verbannen, die Länge der Radwege in der Stadt bis 2020 verdoppeln und neben dem beliebten Velib´ ein Verleihsystem für Elektroräder aufbauen. Außerdem sollen bis 2020 alle Dieselfahrzeuge aus der Stadt verbannt werden. Hidalgo plant, bis 2020 rund 100 Millionen Euro für den Ausbau des Radverkehrs ausgeben. Die Bürgermeisterin ist im März für sechs Jahre gewählt worden. Hoffnungsvolle Signale für die Radfahrer in Frankreichs Hauptstadt.

Die erste Aktion in Paris ist für Sonntag, 27. September, geplant. An diesem Tag ist paris sans voiture, wie die Adresse der Website für den autorfreien Sonntag lautet. Das Fahrverbot gilt an diesem Tag von 11 bis 18 Uhr. Wer sich nich daran hält, muss Strafen zahlen.

Auch in Brüssel soll ein Teil der Innenstadt autofrei werden. Im Juli und August hatte die Stadt den beliebten Boulevard Anspach für den Autoverkehr gesperrt und den Fußgänger zum König gemacht. Statt Autos im Stau standen Tischtennisplatten und Gartenmöbel auf dem Boulevard, der in manchen Abschnitten in temporäre Bouleplätze umgewandelt worden war. Bürgermeister Yvan Mayeur denkt darüber nach, den Boulevard von nächstem Februar dauerhaft in eine Fußgängerzone zu verwandeln.

Bürgermeister großer Metropolen haben aus Gründen des Umweltschutzes und wegen der Dauerstaus schon längst ihre Liebe zum aktiven Langsamverkehr (Fuß- und Radverkehr) und zur lebenswerten Innenstadt entdeckt, zumal das das eine ohne das andere nicht zu haben ist.

Joko Widodo, ehemals Bürgermeister von Jakarta, Boris Johnson (London), Fernando Haddad (São Paulo), Marcelo Ebrard (Mexiko City) und Ana Botella (Madrid) setzen sich immer wieder aufs Rad, um öffentlichkeitswirksam für nachhaltige Mobilität in ihren Städten zu werben. Das gilt nicht weniger für Initiativen in Bogota, Ho Chi Minh City und für viele skandinavische Städte.

Inzwischen wird auch in China über den Bau autofreier Städte nachgedacht. Die sollen sogar schon budgetiert sein. Abu Dhabi arbeitet ebenfalls an der Idee einer autofreien Stadt und Hamburg will die Stadt mittelfristig von Auto befreien.