Divestment: Norwegens Staatsfonds steigt 2016 aus der Kohlestromproduktion aus

Energiewende von unten: Die größte Staatsfonds der Welt, der Norwegian Government Pension Fund Global (GPFG) wird von 1. Januar 2016 an alle Investments aus Unternehmen abziehen, die mehr als 30 Prozent ihrer Einnahmen aus der Stromproduktion mit Kohle erwirtschaften oder Kohle und Öl fördern.

Inzwischen hat auch Kalifornien eine Rechtsvorschrift erlassen, mit der die beiden großen Staatsfonds CalPERS und CalSTRS aufgefordert werden, Anteile an Unternehmen abzstoßen, die mit Kohlestrom produzieren. Die gleiche Entscheidung hat Anfang Juni die Universität von Hawaii getroffen, schreibt Ethan Stoetzer von USA Today.

Storting , Divestment
Bild auf der Internetseite des norwegischen Parlaments am vergangenen Freitag.

Nach Angaben des norwegischen Finanzministers hat das sogenannte Divestment ein Volumen von neun Milliarden Euro, Nichtregierungsorganisationen schätzen den Wert des Divestments auf knapp acht Milliarden Euro.

Torstein-Tvedt-Solberg, Divestment
Torstein Tvedt Solberg

Das norwegische Parlament (Stortinget) hat den Beschluss am Freitag, 5. Juni, einstimmig gefasst (die Debatte im Video-Archiv des Parlaments). Der Entscheidung war ein Übereinkommen der konservativ-liberalen Regierung unter Erna Solberg mit der sozialdemokratischen Opposition am 27. Mai und eine Entscheidung im Storting´s Standing Commitee on Finance and Economic Affairs unter seinem Vorsitzenden Torstein Tvedt Solberg vorausgegangen.

Marthe Skaar, Sprecherin der Norges Bank Investment Management (NBIM), nannte als einen der Gründe, investiertes Geld aus den Unternehmen abzuziehen, Überlegungen zu den Risiken des Klimawandels. Die NBIM verwaltet den Staatsfonds.

John Schwartz, New York Times, Divestment.
John Schwartz, New York Times.

John Schwartz schreibt in der New York Times über die Entscheidung: „The decision is certain to add momentum to a push to divest fossil fuel stocks that emerged three years ago on college campuses. The Church of England announced last month that it would drop companies involved with coal or oil sands from its $14 billion investment fund, and the French insurer AXA said it would cut some $560 million in coal-related investments from its portfolio.“

Von der Entscheidung sind nach Angaben des britischen Guardian 122 Unternehmen weltweit betroffen, unter ihnen der britische Energiedienstleister SSE und der Kraftwerbetreiber Drax, der das größte britische Kohlekraftwerk unter Feuer hält, außerdem Eon und RWE, Vattenfall, Enel, Duke Energy, weitere zwölf Unternehmen in China, acht in Japan und fünf in Australien.

Dem Guardian sagte Truls Gulowsen, Leiter Greenpeace in Norway: „This is the biggest divestment from coal in history and it should pave the way for other investors and countries to follow suit. Mark Campanale, Gründer der Plattform Carbon Tracker Initiative sagte der gleichen Zeitung: „The significance of the Norway decision is that, because of their size and reach, this will act as a major signal for other investors to follow. This will certainly create a wave“.

Anteile der Treibhausgase an den Emissionen, Divestment.
Anteile der Treibhausgase an den Emissionen.

Die Divestment-Bewegung, 2012 unter anderem vom Umweltaktivisten Bill McKibbon ausgelöst, der unter anderem 350.org gegründet hat, eine Nichtregierungsorganisation, die eine globale Bewegung zur Bewältigung der Klimakrise aufbauen will. Divestment ist eines der Instrumente, mit denen der Ausstieg auf aus kohlenstoffbasierten Energieproduktion beschleunigt werden soll.

Die Entscheidung Norwegens ist die bislang weitreichendste in einer langen Reihe von Beschlüssen, Investitionen aus der Kohle- und Ölindustrie abzuziehen. Etwa zeitgleich hat „Agora Energiewende“, eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation, eine Studie zum Thema „Stromexport und Klimawandel“ vorgelegt. Die Autoren kommen zum Schluss, dass angesichts steigender Stromexporte und dem Anteil von Stein- und Braunkohlestrom Deutschland Gefahr läuft, das Klimaschutzziel für 2020 zu verfehlen.

Im vergangenen November hatte der Weltklimarat IPCC in seinem 5. Synthesebericht (Download) darauf hingewiesen, dass die Welt etwa zwei Drittel des CO2-Budgets bereits verbraucht hat, mit dem bis 2100 die Erderwärmung auf maximal 2 Grad begrenzt werden soll. Die schnell wachsende Divestment-Bewegung könnte die überfällige Energiewende hin zu erneuerbaren Energieträgern stark beschleunigen.

Truls Gulowsen, Greenpeace Norwegen, Divestment.
Truls Gulowsen, Greenpeace Norwegen.

„Wir erwarten, dass Milliarden Euro aus der Kohleindustrie abgezogen werden“, hatte Greenpeace-Chef Truls Gulowsen vor der Entscheidung des Parlamentes über das Divestment des Staatsfonds gesagt.

Die UN unterstützen die Ziele der Divestment-Bewegung: “We support divestment as it sends a signal to companies, especially coal companies, that the age of ‘burn what you like, when you like’ cannot continue”, sagte Nick Nuttall, Sprecher des UNFCCC, dem britischen Guardian Mitte März. Auch die G20-Gruppe und die EU beschäftigen sich mit dem Thema.

Die Debatte über Divestment hat längst auch die Finanzmärkte erreicht: Kevin Bourne, Managing Director. Beim Londoner Aktienindex FTSE, sagte der Financial Times Ende April: „This is one of the fastest-moving debates I think I’ve seen in my 30 years in markets.” Die Bank of England prüft, für welche Strategie sie sich in dieser Frage entscheiden wird. Das geht aus einem Brief hervor, den Direktor Mark Carney an das Environmental Audit Comittee des britischen Parlaments geschrieben hat.

Eine Rechtsvorschrift des Staats Kalifornien,die Anfang Juni von Senatspräsident Kevin de Leon eingebracht und mit 22:14 Stimmen angenommen worden ist, fordert die Pensionsfonds CalPERS und CalSTRS auf, ihre Investements in Kohle- und Ölproduktion zu beenden. Zeitgleich hat die Universität von Hawaii die gleiche Entscheidung getroffen.

 

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