Ethik der Mobilität: Dokumentation der Diskussion im HOLM in Frankfurt am Main

senator loren legarda
Senator Loren Legarda

Ethik der Mobilität – Mitte März dieses Jahres gibt die philippinische Senatorin Loren Legarda (Bild) das aktuelle Stichwort zur Diskussion: In der philippinischen Hauptstadt Manila sind Politiker und Wissenschaftler zusammengekommen, unter ihnen der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore, um im Rahmen des 31st Climate Reality Leadership Corps Training über Klimawandel und Gerechtigkeit zu diskutieren. „Justice is giving everyone their due“, sagt Legardo.

Und:  “The injustice here is that the Philippines is minor emitter of greenhouse gases with only 0,3% of global emissions, but it is among the most vulnerable to climate change impacts.” 2013 haben 30 tropische Wirbelstürme und 13 Taifune Teile des Landes verwüstet. Die Philippinen gehören deshalb zu den Staaten, die am schwersten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Wo liegt unsere Verantwortung, und welche Bedeutung hat Ethik in dieser Frage?

Vor allem: Wie lässt sich die Emission von CO2, das den größten Anteil im Mix der Treibhausgase hat, mit dem Gebot vereinbaren, niemanden Schaden zuzufügen? Welche Verantwortung hat der Transportsektor, der nach Angaben des International Council on Clean Transportation (ICCT) rund 23 Prozent Anteil am gesamten globalen CO2-Ausstoß hat? Und wer ist aufgerufen, den Kurs in der Verkehrspolitik zu ändern? Diese Fragen haben Sabine Nallinger, Vorständin 2Grad-Stiftung, Prof. Dr. Brigitta Herrmann, Cologne Business School, Prof. Dr. Stefan Rammler, Hochschule für Bildende Künste, Peter Siegert, Mitsubishi Deutschland und Thomas Biedermann, Vorstandsmitglied TÜV Rheinland zum Abschluss des 3. Deutschen Mobilitätskongresses unter der Überschrift „Ethik der Mobilität – wie viel Verkehr können wir noch verantworten?“ unter Leitung von HOLM-Sprecher Jürgen Schultheis diskutiert.

Dass die Antwort auf die Frage dringend gegeben werden muss, auch wenn sie tagespolitisch kaum eine Rolle spielt, daran haben die Teilnehmer der Diskussionsrunde keinen Zweifel gelassen. Wie und auf welchem Wege und vor allem  was und wer Auslöser des Wandels sein kann, darüber gingen die Meinungen auseinander.

Prof Dr Brigitta Herrmann, CBS © Stefanie Kösling
Prof Dr Brigitta Herrmann, CBS © Stefanie Kösling

Es gibt ein Problem mit globaler Gerechtigkeit, sagt die Kölner Professorin Brigitta Herrmann (Bild) mit Blick auf die Lage etwa auf den Philippinen. „Nach dem Verursacherprinzip wäre es besser, die Kosten würden hier anfallen für das klimaschädliche Verhalten. Dann würden die Philippinen darunter nicht leiden.“  Andererseits lebten wir in einer Welt, in der auch die Philippinen ein Interesse daran hätten, ihre Güter weltweit zu transportieren. „Insofern sind wir auf Verkehr angewiesen. Die Frage ist, wie gestalten wir das so, dass Schaden für das Klima vermieden wird.“

„Wir leben in einer globalisierten Kultur und Ökonomie, die so arbeitsteilig ist, dass sie ohne Logistik und Mobilität nicht auskommt“, sagt der Braunschweiger Professor Stephan Rammler. „Wir kommen aber auch an unsere Grenzen, ökologisch wie sozial. Deshalb müssen wir die Debatte über die ,Ethik der Mobilität´ forciert betreiben.“ Effizienzen zu erhöhen, reicht laut Rammler nicht aus. „Wir müssen auch über Lebensstile reden. Über neue Technologien sicher auch, das war das Thema heute auf dem Deutchen Mobilitätskongress, aber auch über einen anderen Lebensstil“, sagt der Autor des Buches „Schubumkehr – die Zukunft der Mobilität“.

Thomas Biedermann, Vorstand TÜV Rheinland © Stefanie Kösling
Thomas Biedermann, Vorstand TÜV Rheinland © Stefanie Kösling

Mensch, Technik und Umwelt in Einklang zu bringen, ist für den TÜV Rheinland seit mehr als 150 Jahren Aufgabe des heute international tätigen und unabhängigen Prüfdienstleisters, sagt Vorstand Thomas Biedermann (Bild). „Das ist das, was wir heute noch tun. Nachhaltigkeit ist bei uns ein lange verankertes Thema.“ Der Weg dahin führt laut Biedermann auch über die Zertifizierung von Technik, die der Nachhaltigkeit dient. Ein Thema, das mit der Debatte über Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. „Das Thema wird stärker wahrgenommen.“ Solartechnologie, Elektromobilität, Car-Sharing und der ÖPNV seien Themen der Zukunft, bei denen es darum gehe, wie man die Verkehrsströme der Zukunft managen könne. „Ein wesentlicher Aspekt ist auch die Frage, wie sich Unternehmen und Bürger beschränken in der Zukunft. Das ist ja die Frage: Wie kann Mobilität, wie kann Wirtschaft weiter wachsen und zwar in einer vernünftigen Art und Weise?“

Peter Siegert: Wir vernetzen Erneuerbare Energie mit einer gewissen Form von notwendiger Mobilität

Peter Siegert, Mitsubishi Deutschland © Stefanie Kösling
Peter Siegert, Mitsubishi Deutschland © Stefanie Kösling

Auf dem Feld der Elektromobilität zählt der japanische Autohersteller Mitsubishi zu den Anbietern der ersten Stunde. „Es hat gerade erst angefangen mit der Elektromobilität“, sagt Peter Siegert (Bild), wenngleich „man nicht zu sehr nach Deutschland schauen darf, weil wir hier nicht unbedingt nur Treiber am Markt haben, sondern auch den einen oder anderen Bremser.“

2005 hat das japanische Unternehmen begonnen, das Elektroauto i-MiEV zu entwickeln, das 2009 als erstes, in Serie gebautes Auto auf den Markt kam. Für Siegert ist klar, dass „wir keine andere Wahl“ haben, die Zukunft der verantwortbaren Mobilität in der Entwicklung von E-Fahrzeugen zu suchen. Japan habe im Vergleich mit Deutschland aber den Vorteil, dass es dort nicht nur um Mobilität, sondern auch um Energiespeicherung geht. „Wir vernetzen Erneuerbare Energie mit einer gewissen Form von notwendiger Mobilität.“

Sabine Nallinger: Mich wundert schon, wie schwer sich die Politik tut, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen

Dass es trotz verfügbarer Technologien und der Einsicht in die verheerenden Folgen des Klimawandels nicht schneller vorangeht mit der Transformation unserer Mobilität hin zu einer verantwortbaren Mobilität liegt nach Einschätzung von Brigitta Herrmann auch daran,  dass sich Einzelne aber auch Entscheider im Unternehmen wie Politiker „ nicht wirklich bedroht fühlen und deshalb etwas machen müssen“.  Hätten wir Umweltschäden hier zu Lande im Ausmaß der Schäden, wie sie auf den  Philippinen entstanden sind, „dann würde sich hier viel schneller was tun. Weil das weit weg ist, fühlen wir uns nicht veranlasst, etwas tun, obwohl es eigentlich dringend notwendig ist.“

Sabine Nallinger, Vorständin Stiftung 2Grad © Stefanie Kösling
Sabine Nallinger, Vorständin Stiftung 2Grad © Stefanie Kösling

„Ich kann ihnen da nur beipflichten. Wir fühlen uns noch sicher und denken, es gebe keine akute Bedrohung“, sagt die Münchner Stadträtin der Grünen und Vorständin der Stiftung 2Grad, Sabine Nallinger (Bild). Die Stiftung 2° ist eine Initiative von Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführern und Familienunternehmern. Ziel ist es, die Politik bei der Etablierung marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen für einen Klimaschutz zu unterstützen und die Lösungskompetenz deutscher Unternehmer für den Klimaschutz zu aktivieren. „Aber die Klimawissenschaftler weltweit sind sich einig, dass wir jetzt handeln müssen. Mich wundert schon, wie schwer sich die Politik tut, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Die Unternehmer in der Stiftung sehen Klimaschutz als Chance an, sie wollen weiter erfolgreich sein, Gewinne machen und in Teilen auch wachsen.“ Ob die Wirtschaft freilich „immer so weiter wachsen könne wie bislang“ sei ein Thema, das in der Stiftung intensiv diskutiert werde.

Die CEOs der Unternehmen in der Stiftung, unter ihnen die Vorstandschefs und Geschäftsführer von  Otto Versand, Puma, Bahn und BSH, „gehen in die Stiftung, weil sie sagen, in meiner Position muss ich Verantwortung übernehmen, ich muss sehen, was ich tun kann, damit wir die zwei Grad Erwärmung zum Jahrhundertende nicht überschreiten.“ Das sei eine wunderbare Sache, weil es aus der Wirtschaft kommt.

„Die Wirtschaft hat die Politik auf diesem Feld schon überholt“, sagt Nallinger. Sie sei viel im Bundestag und in den Berliner Ministerien unterwegs, „ich stelle fest, dass die Menschen da draußen schon wesentlich weiter sind als die Abgeordneten in den Parlamenten.“

Prof Dr Stephan Rammler © Stefanie Kösling
Prof Dr Stephan Rammler © Stefanie Kösling

Die Transformation in eine ethische verantwortbare Mobilität wird allein auf Basis von Freiwilligkeit nicht gelingen. „Wohlfeile Appelle an Gutmenschen und an ihre Verhaltensweisen tragen nicht weit“, sagt Stephan Rammler (Bild). Die Konsumenten wüssten ja viel über Mobilität, auch wünschten sie sich in der Mehrzahl weniger Verkehr und saubere Städte. „Jetzt frage ich mich aber, warum die durchschnittliche PS-Zahl bei neu angeschafften Autos zwischen 150 und 170 PS liegt, und jedes dritte Auto ein SUV ist, sobald der Ölpreis nach unten geht.“

Dass die notwendige Kehrtwende angesichts des Klimawandels nicht gelingt, „erkläre ich mir zum Teil mit unserer Pfadabhängigkeit. Wir haben diese  technologische, siedlungsstrukturelle und kulturelle Pfadabhängigkeit in mehr als  100 Jahren entwickelt auf Basis der Zuhandenheit des Automobils und auf Basis fossiler Brennstoffe. Das war damals kein Problem. Inzwischen haben wir unsere Welt umgestaltet und sind heute im goldenen Käfig der Automobilität gefangen.“

Diese Pfadabhängigkeit werde immer dazu führen, dass Freiwilligkeit – ob privat oder unternehmerisch – über einen bestimmten Punkt nicht hinaus geht. Ohne ein gewisses Maß an Zwang werde es nicht gehen. Weshalb Rammler für eine Push- and Pull-Strategie plädiert: Einerseits das Angebot für eine nachhaltige und verantwortbare Mobilität verbessern, andererseits Zwang durch Regulierungen und Standards aufbauen.

Thomas Biedermann: „Am Standort Köln beispielsweise stecken wir 70 Millionen Euro in das Gebäude, um die CO2 Bilanz zu verbessern.“

Für Automobilhersteller bedeutet das nach Einschätzung von Peter Siegert, einen Spagat zu machen: „Wir müssen den Schiffskurs ändern, den trägen Kahn wenden in Richtung alternative Antriebe. Um das tun zu können, müssen wir das verkaufen, was wir schon immer verkauft haben, jedenfalls eine zeitlang, bis wir von alternativen Antrieben leben können.“

Unternehmen schaffen diesen Kurswechsel allein nicht, „sie brauchen einen regulativen Rahmen, der es ihnen ermöglicht“, sekundiert Stephan Rammler. „Wer erwartet von Unternehmen in einer kapitalistischen Marktwirtschaft, dass sie sich aus sich heraus massiv verändern? Das können sie nicht, weil sie in der Logik dieser  Ökonomie funktionieren müssen. Wir brauchen deshalb einen Rahmen, wir brauchen eine mutige Politik.“ Grenzen setzen, neue Standards einführen oder fiskalische Anreize setzen sei notwendig, um Unternehmen dabei zu unterstützen, diesen Shift, diese Transformation bewältigen zu können.

Thomas Biedermann, Vorstand TÜV Rheinland © Stefanie Kösling
Thomas Biedermann, Vorstand TÜV Rheinland © Stefanie Kösling

Auch Thomas Biedermann spricht sich für beides aus – für klare Regeln und für  Freiwilligkeit. „Es gibt Unternehmen, dazu zähle ich auch den TÜV Rheinland, die sich das selbst auferlegen. Das ist eine Frage der Haltung“, sagt der TÜV-Rheinland – Vorstand – Rammler: „Sie bauen ja auch keine Autos!“. „Nein, aber wir wollen ja auch ein Ergebnis erwirtschaften. Wir investieren jedes Jahr viel Geld in Gebäude und in den Fuhrpark. Das kostet Geld. Am Standort Köln beispielsweise stecken wir 70 Millionen Euro in das Gebäude, um die CO2 Bilanz zu verbessern.“

Ein Regelwerk für die Transformation sei notwendig, argumentiert Biedermann. „Ich denke, dass es sinnhaft ist, Standards zu setzen und die Menschen ein bisschen in ihr Glück zu zwingen. Ohne Regelwerk, ohne CO2-Grenzen, ohne Verbrauchsnormen ist das nicht machbar.“ Jedem sei bewusst, dass der Klimawandel da sei. „Wenn der Wandel gestoppt werden soll, muss jeder einen Beitrag leisten. Das fängt beim Einzelnen an, der die Brötchen auch mal zu Fuß holt, bis hin zu Unternehmen, was dann vielleicht auch gegen die Marge geht.“

Weshalb es etwa beim Klimaschutzplan 2050, den das Bundesumweltministerium auf den Weg gebracht hat, nicht darum gehe, „ob wir das machen, sondern darum, wie schnell wir das machen können und mit welchen Konsequenzen“, sagt Biedermann.

Stephan Rammler: Die Politik soll das Problem für den Einzelnen und die Unternehmen lösen, ohne dabei Wirtschafts- und Lebensstil in Frage zu stellen

 

Prof Dr Stephan Rammler © Stefanie Kösling
Prof Dr Stephan Rammler © Stefanie Kösling

Geht es also für die Bürger zu langsam und für die Wirtschaftsverbände viel zu schnell, die schon mal – wie BDI und DIHK – von drohender Öko-Diktatur sprechen? „Die Verbändelandschaft in Deutschland ist sehr verhalten“, sagt Sabine Nallinger im Blick auf die Klimaziele, wie sie Ende vergangenen Jahres in Paris vereinbart worden sind. Dennoch sei das Thema in der Wirtschaft angekommen. „Ich kann Stephan Rammler nur beipflichten: Wir brauchen einen Rahmen. Die Wirtschaft sagt zu recht, wir brauchen Planbarkeit, wir müssen wissen, auf was wir uns einlassen müssen. Und wir schaffen das.“

Vor einiger Zeit habe sie im Forschungsministerium in Berlin in einem Expertenhearing gesessen. „Ich saß neben einem Vertreter eines Stahlunternehmens. Der sagte, sagen sie uns einfach, dass es in 30 Jahren keinen Stahl mehr geben wird, wie es ihn heute gibt. Dann dürfen wir heute keinen Hochofen mehr bauen. Wir müssen es nur wissen, dann machen wir es. Dann denke ich immer, wo treiben sich die ganzen Bundestagsabgeordneten nur herum? Hören die das eigentlich nicht, dass die Wirtschaft sehr wohl bereit ist?“

Dass es eine Bereitschaft gibt, den eingeschlagenen Pfad zu verlassen, bestreitet Stephan Rammler.  „Wasch´ mich, aber mach´ mich nicht nass“ sei die Devise. Die  Politik solle das Problem für den Einzelnen und die Unternehmen lösen, ohne dabei Wirtschafts- und Lebensstil in Frage zu stellen. Neben der ökologischen Dimension der Pfadabhängigkeit sieht Rammler eine geopolitische und eine volkswirtschaftliche Pfadabhängigkeit.

Sabine Nallinger © Stefanie Kösling
Sabine Nallinger © Stefanie Kösling

Geopolitisch, weil 100 Jahre Ressourcensicherung der westlichen Industrienationen in der Levante zu Krieg und Vertreibung geführt hätten. Zwar habe das auch etwas mit dem Islam tun, vor allem aber seien es Folgen der permanenten Interventionen des Westens, um billiges Erdöl zu bekommen. „Wir lösen das Problem auf Dauer nur, wenn wir die Abhängigkeit von Erdöl lösen.“

Volkswirtschaftlich, weil die Wohlfahrt in den fünf Automobilregionen in Deutschland durch ihre Monostruktur entstanden ist. Kaum sei der Dieselskandal öffentlich geworden, hätten Städte wie Wolfsburg und Braunschweig Haushaltssperren verhängen müssen, sagt Rammler.

Thomas Biedermann: „Wir haben viele Möglichkeiten, neue Verkehrsangebote mit zu schaffen.“

Rammler fragt: „Wie können wir den Staat dazu bringen, wollen zu können? Weil können kann er, er hat alle Instrumente, auch volkswirtschaftlich verträgliche Instrumente, um umzusteuern und eine Transformation einleiten zu können. Die Frage ist, warum will er nicht?“ Der Autor des Buches „Schubumkehr“ erinnert an die Definition der Politik im Sinne Max Webers: Politik sei der Versuch, gesetzte Ziele mit den Herrschafts- und Machtinstrumenten, die dem Staat zur Verfügung gestellt werden, auch gegen Widerstände durchzusetzen. Heute würden die Instrumente lediglich genutzt, um die eigene Wiederwahl zu gewährleisten. „Das ist ein Stück weit verkommene Politik.“

Kritik übt Rammler an Bundesverkehrsminister Dobrindt, der die Blaue Plakette gegen Dieselruß als „mobilitätsfeindlich“ ablehnt, obwohl mutigen Oberbürgmeistern damit ein gutes Instrument in die Hand gegeben würde. „Dobrindt sollte sich lieber Automobilitätsminister und nicht Verkehrsminister nennen.“

Möglichkeiten, Einfluss auf die Politik zu nehmen, schätzt TÜV-Rheinland Vorstand Biedermann als eher gering ein. „Aber wir haben viele Möglichkeiten, neue Verkehrsangebote mit zu schaffen, indem wir Prüfungen machen können – ob für die Bahn für E-Bike-Ladestationen -, entlang der Normen und Regelungswerke, um neue Dinge in den Markt bringen zu können. Das ist eine Riesenchance für Deutschland.“  Das sei ein Riesenthema für Deutschland, bei neuen Technologien wieder Vorreiter zu sein.

Sabine Nallinger: „Jeder muss sich darüber Gedanken machen, wo es Verlierer gibt, und was wir tun könnten, damit die Transformation nicht mehr so schmerzhaft ist.“

 

Prof Dr Brigitta Herrmann, CBS © Stefanie Kösling
Prof Dr Brigitta Herrmann, CBS © Stefanie Kösling

Birgitta Herrmann setzt im Blick auf die Dringlichkeit, gegen den Klimawandel anzugehen, darauf, dass Wirtschaftsverbände klare Regelungen fordern und mit dieser Forderung massiv auftreten. „Dann werden sich auch die Politiker schnell ändern.“

Für Mai hat die Stiftung 2Grad jene Wirtschaftsverbände zum Gespräch über den Klimaschutz eingeladen, „bei denen wir das Gefühl haben, dass sie sich in unsere Richtung bewegen. Wir wollen sehen, wo man eine gemeinsame Position hat, wo man mal zusammen auftreten könnte, um die Gruppe derer, die die Stimme für den Klimaschutz erheben, größer zu machen“, sagt 2Grad-Vorständin Sabine Nallinger. Und vielleicht seien manche Vertreter dieser Wirtschaftsverbände schon viel weiter in den Köpfen, als sie das nach außen vertonten. „Diese Erfahrungen mache ich ganz häufig, wenn ich mit Verbandsvertretern spreche. Vielleicht muss man ihnen einfach eine Chance geben.“

Sehr wichtig sei, die Verlierer in diesem Prozess mitzunehmen. Jeder müsse sich Gedanen darüber machen, wo es Verlierer gebe und was wir tun könnten, damit die Transformation nicht mehr so schmerzhaft sei.

Die philippinsche Senatorin Loren Legarda hat zum Schluss ihrer Rede im März gesagt: „Global and massive social mobilization effort would be needed to convince governments to support this initiative … It is clear injustice to let future generations suffer the irreversible consequences of our irresponsible actions.”

 

Links

 

Die vollständige Rede von Senatorin Loren Legarda (Philippinen)

Sabine Nallinger, Stiftung 2Grad

Prof. Dr. Brigitta Herrmann

Prof. Dr. Stephan Rammler

Peter Siegert, Mitsubishi

Thomas Biedermann, TÜV Rheinland

Fotografin Stefanie Kösling

 

Der Impuls, über „Ethik der Mobilität – wie viel Verkehr können wir noch verantworten?“ im House of Logistics and Mobility zu führen, ging von den Werken von Hans Jonas und Vittorio Hösle aus. Hans Jonas war unter anderem Schüler von Martin Heidegger. Sein grundlegendes Werk „Das Prinzip Verantwortung – Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“ (1979). ist 1987 zur Frankfurter Buchmesse mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Die Laudatio finden Sie hier. Vittorio Hösle hat 1990 fünf Vorlesungen in Moskau gehalten, die später unter dem Titel „Philosophie der Ökologischen Krise“ 1994 veröffentlich worden sind.

Hans Jonas – Stichworte aus „Prinzip Verantwortung“ 

Daß die Verheißung der modernen Technik in Drohung umgeschlagen ist, oder diese sich mit jener unlösbar verbunden hat, bildet die Ausgangsthese dieses Buches.

Im Zeichen der Technologie aber hat es die Ethik mit Handlungen zu tun, die eine beispiellose kausale Reichweite in die Zukunft haben.

Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein.

Vittorio Hösle – Stichworte aus „Philosophie der ökologischen Krise“ 

Vittorio Hösle
Vittorio Hösle. Bild: Matt Cashore University of Notre Dame

Ohne Technik und Wirtschaft wird sich die Umwelt nicht retten lassen.

Es gibt eine Pflicht, sich über die Konsequenzen des eigenen wie des kollektiven Handelns der Industriegesellschaft zu informieren. Die Dringlichkeit dieser Pflicht steigt mit dem Grad der Macht, die jemand hat.

Die Pointe der modernen Technik – wir können mehr herstellen, als wir uns vorstellen können (Günther Anders)

Es hilft wenig, jemandem rational die Umweltschädlichkeit des Autofahrens klarzumachen. Wesentlich wirksamer ist es, wenn man das Wertesystem angreift, das das Autofahren als werthaft erscheinen lässt, – also etwa das Ideal einer zwecklosen privaten Mobilität- und die psychische Struktur desjenigen ironisiert, dessen Selbstbewusstsein auf den Besitz eines großen und schnellen Wagens angewiesen ist.

Erst wenn die Umweltschäden, die das Auto verursacht, auf Autoproduzenten und Autofahrer abgewälzt werden, wird eine größere Anzahl von Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.

 

  • Nach der Diskussion "Ethik der Mobilität" im House of Logistics and Mobility (HOLM): Bildmitte: Frankfurts Verkehrsdezernent Stefan Majer (Grüne) im Gespräch mit Prof Dr Stephan Rammler. © Stefanie Kösling

About Jürgen Schultheis