Frankfurter Rundschau, Joschka Fischer, Klaus Töpfer, Horst Seehofer, Jürgen Schultheis, Manuela Rottmann, Frankfurt am Main

Glückwunsch an die alte Dame – die Frankfurter Rundschau ist 80 Jahre alt

Die Frankfurter Rundschau ist 80 Jahre alt, und es gibt eine Reihe von Gründen, dem Blatt und seinen Macher*innen für diese Leistung zu gratulieren: Weil sich die FR in Zeiten, die für Printmedien schwierig sind, und nach der Insolvenz auch bei den Leser*innen behauptet hat und unbeirrt auf seriösen, faktenbasierten und vor allem kritischen Journalismus setzt.

Gratulieren auch deshalb, weil die FR in ihrer Professionalität einen wohltuenden Unterschied macht zur wachsenden Zahl von Propaganda-Publikationen wie WELT, Nius, Cicero, Tichys Einblick u.a. und ihrer Hetze, die sie in unterschiedlichen Graden und je nach Anlass mal mehr, mal weniger betreiben.

25 Jahre Mitwirkung am Projekt „Frankfurter Rundschau“

Dass ich 25 Jahre am Projekt „Frankfurter Rundschau“ bis in den Herbst 2011 mitwirken durfte, zuletzt als stellv. Ressortleiter und Redakteur in besonderer Stellung, freut mich schon deshalb, weil es spannende, lehrreiche, vor allem aber erfolgreiche Jahre für mich gewesen sind. Schreiben in einem Team, das die Welt ein wenig besser und gerechter machen will, das auch mitgewirkt, zum Teil mitgefiebert hat bei meinen Projekten und journalistischen Initiativen, ist eine wertvolle und wichtige Erfahrung.

Das gilt vor allem für meine Initiative, eine Internationale Bauausstellung (IBA in der Metropolregion  FrankfurtRheinMain zu organisieren. Eine Idee, die Ende 1999 von Nicolai Lutzky von der Beratungssocietät BNL formuliert worden war und die ich, nach mehrmaligem Besuch der international erfolgreichen IBA Emscher Park, für herausragend gehalten habe.

Im Unterschied zum Ruhrgebiet und dem Strukturbruch nach dem Ende des Kohleabbaus hatte FrankfurtRheinMain keine ökonomische Krise zu bewältigen, aber eine neue Form der interregionalen Kooperation einzuüben. Das Ruhrgebiet hatte damals GEld von der EU erhalten, um den Strukturbruch zu bewältigen, in FrankfurtRheinMain war das ausgeschlossen, weshalb ich die damals die Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer der größten, international tätigen Unternehmen zunächst interviewt und später zu einer Konferenz eingeladen hatte, um eine IBA auf den Weg zu bringen.

Nach der Konferenz in der IHK Frankfurt am Main erschienen einen Tag später zwei Sonderseiten in der FR, und an diesem Abend boten eine Reihe von Kollegen Hilfe bei der Produktion der Doppelseite an – ein Beispiel für die damals lebendige Kollegialität in der FR.

Die Präsenz der Topmanager bei einer Konferenz der FR hat bei der FAZ wenig Begeisterung ausgelöst. Hugo Müller-Vogg, damals Herausgeber für den Rhein-Main-Teil der FAZ, soll getobt haben, wie mir später berichtet worden ist.

Ich erinnere mich an meinen Beitrag im FR-Feuilleton, der die Rushdie-Affäre 1991 ausgelöst hat. Ich hatte erfahren, dass die Frankfurter Buchmesse gegen die eigene Ankündigung iranische Verlage zulassen wollte, obwohl die Fatwa gegen Rushdie weiter aufrechterhalten worden war. Hans Magnus Enzensberger hatte sich auf Anfrage kritisch geäußert, später saß ich auf dem Podium mit Carola Stern, Klaus Wagenbach, Michael Naumann und anderen, um in einer emotional aufgeladenen Atmosphäre über das Für und Wider zu diskutieren.

Albanien-Reportagen in der Frankfurter Rundschau

Ich war damals und bin noch heute der Meinung, dass ein Ausschluss der Buchverlage niemandem genutzt und der Sache schon gar nicht gedient hat. Die Verlage und ihrer Vertreter auf der Buchmesse mit dem Thema Menschenrechte zu konfrontieren, sie in den Diskurs zu zwingen, wäre die bessere Lösung gewesen.

Womöglich hätten uns ein paar feine Zwischentöne überraschen können, weil ich damals nicht habe glauben wollen, dass alle iranischen Verlage bzw ihre Vertreter durchweg mit dem Islamismus der Mullahs einverstanden gewesen sind.

Auf dem Podium schlug mir damals vor allem von Carola Stern eine Abneigung entgegen, die die Luft beinahe hätte gefrieren lassen.

Ich erinnere mich an meine Albanien-Reportagen Anfang der 90er Jahre, als ich über die Lage der Menschen kurz nach Revolution berichtet habe, über den Geheimdienst „Schwarze Hand“ und über den Giftmüllskandal im Norden des Landes: Pestizide mit Verfallsdatum waren von Kriminellen aus Ostdeutschland per Zug nach Nordalbanien gebracht worden.

Menschen aus den umliegenden Dörfern hatten den Zug teilweise geplündert, die Giftfässer entleert, von denen sie nicht wussten, dass sie Pestizide enthielten, um die Fässer für den Wassertransport zu nutzen. Wie viele Menschen in der Folge erkrankt oder gestorben sind, war nicht zu erfahren.

Der Geheimdienst arbeitete noch immer im Verborgenen und tötete weiter.

Die Frankfurter Rundschau und der korrupte Manager

Oder die Story über einen korrupten Manager des Verlages, in dem das Freie Wort in Suhl erschienen ist, der über die Auslagerung der Druckvorstufe an eine externe Firma Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte, weil er über eine dritte Firma an diesem externen Unternehmen beteiligt war.

Mehrheitsgesellschafter der Suhler Verlagsgesellschaft war und ist der Süddeutsche Verlag, der damals der FR mit Klage gedroht hatte, falls der Beitrag über den korrupten Manager auf Seite  der FR erscheinen sollte. Ich erinnere mich an das Telefonat, das Reiner Gohlke damals Chef des Süddeutschen Verlages, mit dem stellv. FR-Chefredakteur Hans-Helmut Kohl, geführt hatte.

Ich hatte Kohl vor dem Telefonat versichert, dass die Recherche sauber und Fakten stichhaltig sind. Weshalb er sich trotz der Drohungen Gohlkes nicht hat beirren lassen. Der Artikel erschien auf Seite 3, und ein halbes Jahr später wechselte der Suhler Verlagsmanager ins Holzgeschäft.

Ich erinnere ich aber auch an die Diskussion über die Frage, ob es unsere Aufgabe als Redakteure und Journalisten sei, Podiumsdiskussionen zu veranstalten. Auf lokaler Ebene hatte die Novellierung des Hessischen Gemeindeordnung diese Diskussion ausgelöst: Damit ist damals die Direktwahl der Bürgermeister eingeführt worden.

Eine kleine Gruppe innerhalb der FR sah es damals als naheliegende Dienstleistung an, Bürgerinnen und Bürgern vor Ort die Möglichkeit zu geben, sich über die Kandidat*innen im direkten Austausch zu informieren. Die Veranstaltungen, die auch ich wie andere in den Redaktionen organisiert haben, waren zweitweise große Erfolge mit bis zu 1000 Teilnehmer*innen.

Frankfurter Rundschau, Regionalpark Rhein-Main
und die Route der Industriekultur Frankfurt Rhein-Main

Was bleibt nach all den Jahren im Rückblick? Spannende Diskussionen mit Joschka Fischer, Klaus Töpfer, Horst Seehofer, Albert Speer und vielen anderen. Es bleiben die großen Stücke, etwa meine Analyse über die Außenpolitik des 48er-Parlaments in Frankfurt, für das ich mit einem Preis ausgezeichnet worden bin.

Vor allem aber bleibt für mich das, was im journalistischen Alltag unspektakulär und für klassische journalistische Auszeichnungen ungeeignet, aber wirksam und dauerhaft in der Welt ist: Die Begleitung und die mediale Unterstützung des Regionalpark-Projektes und der Route der Industriekultur (Regionalverband FrankfurtRheinMain).

Dass mir die FR dafür den Raum gegeben hat, dass ich in der Zeit, als die FR noch der FR gehörte, Ressortleiter erleben durfte, die gleichermaßen kompetent wir führungsstark waren, dafür bin dankbar.