Industrie 4.0 – das Beispiel Rio Tinto

Mit Schlagworten wie Industrie 4.0, Augmented Reality und Digital Transformation beschreiben Experten heute Arbeits-, Produktions- und Vertriebsweisen der Zukunft, die vor allem durch eine umfassende Digitalisierung möglich werden.

AutoTrucks
Autonomous Trucks von Rio Tinto in der Pilbara Grube

Was hier zu Lande noch wie Zukunftsmusik klingt, ist beim Bergbaukonzern Rio Tinto in Australien in diesem Jahr Alltag geworden: Das Unternehmen hat in zwei Minen in der Pilbara Region 69 unbemannte schwere Lastkraftwagen im Einsatz, die pro Monat rund 20 Millionen Tonnen Eisenerz bewegen. Die mächtigen Fahrzeuge des japanischen Herstellers Komatsu werden von einem Team im 1200 km entfernten Perth ferngesteuert.

Neben den schweren Lkw hat Rio Tinto inzwischen auch ferngesteuerte Züge in Betrieb genommen, die das Eisenerz aus der Region in die Hafenstädte im Westen bringen. 41 ferngesteuerte Züge sollen demnächst in Betrieb gehen. Bis 2017 sollen darüber hinaus ferngesteuerte Bagger und Bohrer mit Hilfe von Augmented Reality den Abbau des Eisenerzes übernehmen.

Die Automatisierungsstrategie hat der Bergbaukonzern vor sieben Jahren in seinem Programm „Mine of the Future“ formuliert. Das Ziel ist eine weitgehende Automatisierung der Lieferkette, vom Abbau in Minen und Gruben über den Transport auf der Straße oder Schiene bis hin zur Verladung in den Häfen. Konkurrenten wie BHP Billiton und die Fortescue Metals Group verfolgen inzwischen eine ähnliche Strategie.

Seit Anfang Oktober 2015 fahren die ferngesteuerten Komastu-Lastwagen in der Yandicoogina und Nammuldi-Mine, den größten Eisenerzgruben der Welt. Voraussetzung für den Betrieb war eine präzise Kartierung des Minengeländes. Rio Tinto setzt den Komatsu 930 Electric Truck ein, der rund 500 Tonnen wiegt und pro Ladung fast 300 Tonnen Fracht transportieren kann.

Jeder ferngesteuerte Lastwagen spart 500 Arbeitsstunden pro Jahr ein: Weil fahrerlos, sind die Komatsu-Transporter 24 Stunden pro Tage und 365 Tage im Jahr im Einsatz. Die Transportleistung ist seither um 12 % gestiegen.

Die zentrale Steuerung von Abbau und Transport übernimmt das Remote Operations Center am Flughafen in Perth, wo insgesamt 400 Beschäftigte die Lkw und Züge kontrollieren. Darüber hinaus hat Rio Tinto im März 2015 ein Big Data Center in Indien eröffnet, um große Mengen Daten zu verarbeiten, die von hunderten von Sensoren gesendet werden, sagt Greg Lilleyman, Group Executive für Technologie und Innovation bei Rio Tinto.

Der Kontrollraum des Bergbaukonzerns ist rund 1800 qm groß. 124 Männer und Frauen arbeiten als Operatoren an Konsolen. Ein 40 Meter langer großer Bildschirm dominiert den Raum.

Der Bergbaukonzern hat Datenexperten eingestellt, die Verfahren wie „predictive mathematics“, „machine learning“ und „advanced modelling“ nutzen, um eine Reihe von potenziellen Problemen beim Betrieb der ferngesteuerten Lastwagen und Züge zu identizieren, bevor sie auftreten. Die Voraussagen sollen dazu führen, die Service- und Reparaturkosten und den Arbeitskräftebedarf zu verringern.

Die Zahl der Arbeitskräfte wird angesichts von Teilautomatisierung und Fernsteuerung von Abbau, Transport und Verladung von Eisenerzen und Kohle sinken. „Roughly speaking there’s around a third less people involved in load haul but the overall skill levels of that group increase,”, sagte Michael Gollschewski, Managing Director von Rio Tinto in der Pilbare-Region, dem Australian im Herbst dieses Jahres. „We probably employed less people than we would have done.“

Zwischen Mai 2012 und Dezember 2014 sind rund 38.000 Jobs im Bergbau in Australien abgebaut worden – nicht nur, aber auch als Folge des Einsatzes neuer Technologien, die zu höherer Effizienz geführt haben. 80 Prozent des Managements von Bergbaugesellschaften erwarten auch für 2016 einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen.

Bislang hat Rio Tinto für den Betrieb von 15 schweren Lkw etwa 60 Fahrer benötigt. Mit dem Einsatz ferngesteuerter Transporter sinkt die Zahl der benötigten Beschäftigten nach eigenen Angaben auf acht Personen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Menschen, die im Service tätig sind, wenn auch nicht im gleichen Maße, wie Arbeitsplätze abgebaut werden.

„In terms of trades, there will be fewer jobs, but in terms of maintainers we still need them, we can’t live without them“, sagt Dr. Carla Boehl von der Curtin University’s School of the Mines.

Neben den Gruben und Minen unterhält der Bergbaukonzern ein Schienennetz von 1700 km Länge in Australien, das die 15 Minen des Unternehmens mit den Häfen im Westen des Kontinents verbindet. Mitte März 2015 ist der erste Zug mit Eisenerzfracht erfolgreich ferngesteuert worden. Demnächst sollen bis zu 41 Züge ferngesteuerte Züge für Rio Tinto fahren.

Ob ferngesteuerte Schwerlastwagen die Lösung für den Mangel an Fahrern etwa in den USA und Europa sind, ist offen Die American Trucking Association schätzt, dass schon heute 35.000 bis 40.000 Fahrer ini den USA fehlen – ein Mangel, der in den nächsten Jahren größer werden wird.

Der multinationale Bergbaukonzern Rio Tinto ist einer der drei größten Abbauunternehmen der Welt.

Infobroschüre Komatsu 930 E.

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