Prof Dr Dr Frank Leymann, Jan-Rainer Lahmann, Dr Florian Neukart, Prof Dr Bastian von Harrach, Manfred Rieck, Oliver Haßa, Prof. Dr. Hendrik Bluhm, Prof. Dr. Tommaso Calarco, Prof. Dr. Sebastian Feld, Magdalena Hauser, Dr. Max Hoffmann, Matthias Imrecke, Dr. Gunther Kegel, Prof. Dr. Wolfgang Lechner, Dr Wolfgang Mergenthaler, Wilfried Reimann, Prof. Gerd Riegelhuth, Steffen Wischmann, Dr Johanna Barzen

Quantenrechner können den Verkehrssektor revolutionieren

Quantenrechner sind bei Optimierung, Machine Learning und Simulationen wesentlich leistungsfähiger als herkömmliche Digitalrechner. Das Potenzial der neuen Technologie ist enorm, der Nutzen für Anwendungen in vielen Branchen erwiesen oder bald nachweisbar. Die Finanzbranche setzt die Quantenrechner schon heute ein. Kaum weniger Potenzial haben die neuen Rechner aber auch im Verkehrssektor, etwa bei Routen- und Geschwindigkeitsoptimierungen im Straßenverkehr und in der Seeschifffahrt, bei der Entwicklung neuer Batterien für Elektroautos, in der Logistik wie in der Luftfahrt.

Den Durchbruch in der Technologie der Quantenrechner, wenn eine Rechenleistung von 1000 Qubits erreicht wird, erwarten ExpertInnen in den nächsten drei bis fünf Jahren. Das sind einige der wichtigsten Ergebnisse der Jahreskonferenz „Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität“, die am 8. November im HOLM veranstaltet worden ist und erstmals in Deutschland beim Thema Quantumcomputing den Fokus auf den Verkehrssektor gerichtet hat.

Je nach Anwendung und Sektor leisten Quantencomputer in den nächsten drei bis fünf oder mittelfristig in fünf bis zehn Jahren einen Beitrag zur Optimierung des Verkehrs, die von klassischen Digitalrechnern angesichts wachsender Komplexität im Verkehrssystem dann nicht mehr erbracht werden können.

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Quantumcomputing-Konferenz am 8. November im House of Logistics and Mobility (HOLM) in Frankfurt am Main. Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH

Zahlreiche Expertinnen und Experten aus dem Bereich Quantum-Computing haben im  Verlauf der Quantumcomputing-Konferenz Anfang November ihren Beitrag zur Bestandsaufnahme geleistet. Das Ergebnis der zehnstündigen Veranstaltung in Frankfurt am Main zeigt, was die neuen Rechner aktuell leisten können, was absehbar möglich ist und wo die Rechner aktuell oder in naher Zukunft den Digitalrechnern überlegen sein werden.

Quantenrechner: 1000 Qubits
in den nächsten fünf Jahren

Sicher ist: Die Leistungsfähigkeit der Quantenrechner, gemessen etwa an der Anzahl der verfügbaren Qubits, wird in den nächsten Jahren steigen und in naher Zukunft nach Angaben von IBM die 1000 Qubit-Marke überschreiten. Auf diesem Level erbringen die Rechner den Nachweis der so genannten Quantum Supremacy, bei der die Überlegenheit der neuen Rechner im Vergleich zu Digitalrechner vor allem bei Optimierungsproblemen erwiesen ist. Da es für die Rechner dann eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeit in wichtigen Branchen gibt, wird die neue Technologie einen wichtigen Beitrag leisten, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Wirtschaft zu stärken.

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Prof. Dr. Dr. Frank Leymann, Wissenschaftlicher Leiter des PlanQK-Konsortiums, im Gespräch mit Moderator Jürgen Schultheis. Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH

„Die Bundesregierung will die Industrie stärken, wir brauchen die Technologie,“ sagte von Prof. Dr. Dr. Leymann, Leiter des Instituts für Architektur von Anwendungssystemen an der Universität Stuttgart. Wissenschaftlicher Leiter des PlanQK-Konsortiums. Es gehe auch darum, Handlungsfreiheiten zu sichern, weil Quantenrechner in der Lage sind, jeden noch so komplexen Code von Digitalrechner zu entschlüsseln. „Wenn Deutschland im Gegensatz zu den USA oder China kein Quantumcomputing hat, dann sind wir in der Steinzeit, wenn die Codes geknackt werden.“

Bericht über die Konferenz von Frank Grotelüschen im Deutschlandfunk in der Reihe “Forschung aktuell”:

 

 

Deutschland und Europa haben nach Einschätzung der ExpertInnen aber gute Chancen, in der Entwicklung der Rechner in Hard- und Software mithalten zu können, weil es hier zu Lande gute Universitäten mit einer guten Ausbildung und kompetenten Nachwuchs gibt. Die USA und China seien dem Kontinent aber bei der Finanzierung voraus: In den USA gibt es enorme Mittel von privaten Investoren, in China stellt der Staat üppige Mittel bereit. Deshalb plädieren Prof. Dr. Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser (beide ParityQC) für den Aufbau eines starken Ökosystems für Quantenrechner in Europa, um die Wertschöpfung auf dem Kontinent zu sichern.

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Magdalena Hauser und Prof. Dr. Wolfgang Lechner von ParityQC aus Innsbruck bei der Podiumsdiskussion der Konferenz “Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität” am 8. November im House of Logistics and Mobility (HOLM). Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH

20 Städte und 60 Billiarden Möglichkeiten

Was Quantenrechner im Vergleich zu ihren digitalen Apparaten vermögen, zeigt das „Travelling Saleman Problem“, das Manfred Rieck (DB Systel) im Verlauf der Konferenz “Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität” erläutert hat.

Dabei geht es um die Planung einer kurzen Reise, bei der alle Orte nur einmal besucht werden und die erste Station auch die letzte Station sein soll. Pro Route wird mit einer Rechenzeit von einer Nanosekunde kalkuliert.

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Manfred Rieck (DB Systel): Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH.

Das Travelling Saleman Problem ist ein kombinatorisches Optimierungsproblem des Operations Research und der theoretischen Informatik. Seit seiner ersten Erwähnung als mathematisches Problem im Jahre 1930 haben sich viele Forscher damit befasst und neue Optimierungsverfahren daran entwickelt und erprobt, die momentan auch für andere Optimierungsprobleme eingesetzt werden.

Bei fünf Städten ergeben sich laut Rieck zwölf Routen, die gefahren werden können. Rechenzeit für alle Varianten: zwölf Nanosekunden. Bei zehn Städten ergeben sich 181.440 möglich Routen, wobei die Rechenzeit 0,00018 Sekunden beträgt.

Bei 20 Städten sind es nach Angaben von Manfred Rieck schon 60 Billiarden mögliche Routen (60.822.550.204.416.000,00), für die ein Digitalrechner zwei Jahre Rechenzeit benötigen würde, um die Varianten für die theoretisch möglichen Routen zu berechnen – für Anwendungen im Alltag mit der Erfordernis der Realzeitberechnung unmöglich. Damit sind Digitalrechner überfordert, erst recht, wenn es statt 20 Städten um 154 ICE Bahnhöfe mit 289 ICEs geht.

Zwölf Prozent weniger Treibstoff durch Quantenrechner

Messbare Effekte erzielt der Einsatz von Quantenrechner aber auch im internationalen Seeverkehr, etwa beim Containertransport. Matthias Imrecke (Imrecke Consulting) und Dr. Wolfgang Mergenthaler (CEO Frankfurt Consulting Engineers) konnten zeigen, dass durch eine optimierte Geschwindigkeit beim Treibstoffverbrauch bis zu zwölf Prozent Schweröl eingespart werden können. Pro Jahr verbrennen Seeschiffe im internationalen Verkehr bis zu 800 Mio t Schweröl, bei bis zu zwölf Prozent Einsparung werden sowohl starke betriebswirtschaftliche wie ökologische Effekte erzielt.

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Frankfurt Consulting Engineers CEO Dr. Wolfgang Mergenthaler (v.l.) mit Matthias Imrecke von Imrecke Consulting und Manfred Rieck (im Hintergrund) antworten auf Fragen des Moderators Jürgen Schultheis bei der Konferenz “Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität” am 8. November in Frankfurt am Main. Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH

Laut Dr. Mergenthaler haben eine große Reederei und eine Fährlinie inzwischen Interesse am Quantumcomputing-Algorithmus, mit dem diese Effekte erzielt werden können.

VW optimierte Busrouten in Barcelona mit Quantenrechnern

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Dr. Florian Neukart, Chief Product Officer bei Terra Quantum AG, per Videoschalte aus dem Silicon Valley bei der Konferenz “Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität” am 8. November im House of Logistics and Mobility. Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH

Dass die neuen Rechner auch im Straßenverkehr sinnvoll eingesetzt werden können, hat VW 2019 beim Websummit in Barcelona nachgewiesen. Dabei sind die Routen von Bussen – abhängig vom Verkehrsaufkommen – so optimiert worden, dass die Fahrzeuge pünktlich an jedem Haltepunkt eingetroffen sind, ohne in einen Stau zu geraten, erläuterte Dr. Florian Neukart (Terra Quantum AG), der damals das Projekt geleitet hat.

„Ich kann mit Quantumcomputing schon heute etwas tun, was praktischen Nutzen hat“, sagte Neukart.

Leistungsfähige Digitalrechner, wie wir sie aus dem Alltag kennen, kommen an ihre Grenzen, wenn hochkomplexe Zufallszahlen berechnet, Exoplaneten identifiziert, eine Vielzahl von Bildern ausgewertet, neue Pharmaka entwickelt oder Muster in sehr großen Datenmengen entdeckt werden sollen. In solchen Fällen können Quantencomputer bei der Lösung gerade von Optimierungsproblemen helfen, weil sie bei solchen Aufgaben den Digitalrechnern weit überlegen sind.

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Der Mathematiker Prof. Dr. Bastian von Harrach (Bildmitte) von der Goethe-Universität bei der Konferenz “Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität” am 8. November im House of Logistics and Mobility in Frankfurt am Main. Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH

Um das Potenzial dieser neuen Technologie zu heben, haben 2016 rund 3400 Repräsentanten aus Wissenschaft und Wirtschaft das Quantum Manifesto verabschiedet: “This manifesto is a call to launch an ambitious European initiative in quantum technologies, needed to ensure Europe’s leading role in a technological revolution now under way.”

Zwei Jahre später, im Oktober 2018, ist die Quantum Technologies Flagship Initiative von der EU auf den Weg gebracht worden: “The Quantum Flagship is a large-scale initiative funded at the 1b € level on a 10 years timescale … The goal is to consolidate and expand European scientific leadership and excellence in this research area, to kick-start a competitive European industry in Quantum Technologies and to make Europe a dynamic and attractive region for innovative research, business and investments in this field.”

“Das Potenzial der Quantenrechner ist enorm”

Die Bundesregierung unterstützt  die Entwicklung der Quantentechnologien mit weiteren zwei Milliarden Euro aus dem Konjunktur- und Zukunftspaket. In einer Mittelung der Regierung heißt es: “Das Potenzial der Quantentechnologien ist also enorm – ob für die Informationsübertragung und -verarbeitung, für höchstpräzise Mess- und Abbildungsverfahren oder für die Simulation komplexer Systeme. Wissenschaftler sprechen davon, moderne Kommunikationsnetzwerke sicher zu machen, Magnetfelder des Gehirns zu vermessen und Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson besser zu verstehen, den Verkehrsfluss zu optimieren und Staus zu vermeiden oder neue Werkstoffe und Katalysatoren allein auf der Grundlage von Simulationen zu entwickeln. Quantentechnologien schaffen dafür die Basis und werden die technischen Lösungen von heute deutlich übertreffen.”

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Wilfried Reimann (rechts) bei der Konferenz “Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität” am 8. November im House of Logistics and Mobility in Frankfurt am Main. Bild: Steffen Albrecht/HOLM GmbH

Mein Dank als Organisator und Moderator der Konferenz gilt den Expertinnen und Experten, die am 8 November die Konferenz „Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität“ zu einem Ereignis gemacht haben:

  • Prof. Dr. Dr. Frank Leymann, Leiter Institut für Architektur von Anwendungssystemen, Wissenschaftlicher Leiter des PlanQK-Konsortiums, Universität Stuttgart,
    Dr. Johanna Barzen, Leitung Arbeitsbereich Quantum Computing & Digital Humanities, Institut für Architektur von Anwendungssystemen (IAAS)
  • Dr. Jan-Rainer Lahmann, IBM Distinguished Engineer & IBM CTO for Lufthansa, IBM Quantum & Qiskit, Member oft he IBM Academy of Technology,
  • Magdalena Hauser, CEO und Co-Founder ParityQC, Phoenix Gründerpreis 2021, Innsbruck
  • Prof. Dr. Wolfgang Lechner, ParityQC, Innsbruck
  • Dr. Florian Neukart, Chief Product Officer, Terra Quantum AG
  • Prof. Dr. Bastian von Harrach, Institut für Mathematik, Goethe-Universität
  • Manfred Rieck, DB Systel
  • Oliver Haßa, Head of Real-time Simulations, Deutsche Flugsicherung
  • Prof. Dr. Hendrik Bluhm, Forschungszentrum Jülich/RWTH Aachen
  • Prof. Dr. Tommaso Calarco, Universität Ulm
  • Prof. Dr. Sebastian Feld, Delft University of Technology
  • Dr. Max Hoffmann, Lufthansa Systems GmbH & Co. KG, Raunheim
  • Matthias Imrecke, Imrecke Consulting, Kapitän, Hamburg
  • Dr. Gunther Kegel, Vorstand ZVEI, Geschäftsführer Pepperl & Fuchs, Mannheim
  • Dr Wolfgang Mergenthaler, CEO, Frankfurt Consulting Engineers (FCE)
  • Wilfried Reimann, Senior Consult, Quantum-Computing, Stuttgart
  • Prof. Gerd Riegelhuth, Leiter Geschäftsbereich Verkehrsmanagement und Betrieb, Die Autobahn GmbH des Bundes, Frankfurt am Main
  • Steffen Wischmann, VDIVDE-IT, Berlin
  • Joachim Scheiderer, Captain Airbus A340, Senior Manager Operational Airspace Development, Lufthansa Group

Die Quantumcomputing-Konferenz ist eine Veranstaltung der Cluster@HOLM in Kooperation mit PlanQK, dem Technologieland Hessen, dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), dem House of Digital Transformation (HoDT) und dem Frankfurter Zukunftskongress.

 

Bericht in “Logistik heute”: “Anlauf zum Quantensprung” – Quantenmechanik und Qubits gegen Zirruswolken und Travelling-Salesman-Problem: Die HOLM-Jahreskonferenz nahm Potenziale des Quantencomputings in den Fokus. 10. Dezember 2021. Zum Aufruf des Artikels auf das Bild klicken

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