FrankfurtRheinMain, eine Metropolregion, tatenarm und gedankenvoll. Hölderlins Diktum über die Deutschen könnte nicht besser auf die inzwischen fast unüberschaubar große Gruppe von Akteuren hinweisen, die vorgeben, es ernst zu meinen mit der Entwicklung der Metropolregion FrankfurtRheinMain hin zu einem handlungsfähigen, demokratisch legitimierten und verfassten politischem Konstrukt.
Tatsächlich hat sich das Setting der (Schein-)Debatte über die Metropolregion FrankfurtRheinMain in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert: Austauschbare Akteure auf Landesebene suggerieren mit freundlichen Worten und maßvoll erfolgreich, die Region voranbringen zu wollen und haben bei diesem häufig falschem Spiel nur eines im Sinn – eben das zu verhindern. Die Hoffnung, dass es „der Wirtschaft“ womöglich besser gelänge, hat sich nicht erfüllt. Ob als Verein oder als berufsständische Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert, täuschen inszenierte Aktionen, feierliche Empfänge und Auftritte von Europapolitikern am Ende auch nur vor, dass es im Grunde keinen substanziellen Fortschritt gibt und es womöglich mehr um Außenwirkung als um substanziellen Fortschritt geht.
Dass im Verlauf dieses Metropolen-Schauspiels klammheimlich und ohne öffentlichen Protest mit den Rhein-Mainischen Forschungen die bewährte wissenschaftliche Instanz und kompetente Akteur fast von der Bildfläche verschwunden ist, belegt einmal mehr, auf welchem Niveau eine Debatte geführt wird, die angesichts der globalen Herausforderungen und vor allem der drückenden Probleme, mit denen die Menschen tagtäglich konfrontiert sind, auf ganz andere Weise geführt werden muss.
Es geht um eine fehlgeleitete, weil ausschließlich kommunal statt regional orientierte Siedlungspolitik, die zu enorm gestiegenen Preisen fürs Wohnen geführt hat; um eine Verkehrspolitik, die nach wie vor zu sehr aufs Automobil setzt und dafür den regelmäßigen Dauerstau in Kauf nimmt; eine Umweltpolitik, die anstrebt, die Klimaziele einhalten zu wollen, aber zögerlich und mutlos ist und in der Tagespolitik erfolgreich ignoriert wird; um eine vom Kirchtrum aus betriebene Flächenentwicklung, die angesichts des Siedlungsdruckes langfristig dazu führen kann, die Polyzentralität der Region in die Monozentralität der Megacity zu transformieren – womit das größte Guthaben der Metropolregion FrankfurtRheinMain – die Vielzahl unterschiedlicher kultureller und naturräumlicher Flächen innerhalb dieses Gebietes – verloren zu gehen droht.
Die Liste ließe sich verlängern.
Womöglich könnten diese Herausforderungen Anlass geben, für eine ebenso konstruktive wie schwierige Debatte – wenn nicht Diagnose und Heilmittel nicht vor rund 100 Jahren mit August Weitzel, Ludwig Landmann und den Frankfurter Geographen Walter Behrmann und Otto Maull in den Grundzügen präsentiert worden wären. Tatenarm und gedankenvoll – jede Initiative ist seither ein ums andere Mal am Unwillen der Entscheider, am unvermindert dominierenden Kirchturmdenken einer falsch sich orientierenden Kommunalpolitik und an der bräsigen Selbstzufriedenheit in der Region gescheitert, die Wachstum mit einer trägfähigen und langfristigen Entwicklung verwechselt und die Augen verschließt vor bemerkenswerten Entwicklungen in anderen Metropolregionen der Welt.
Die Wissenschaft, die seit Jahrzehnten von den Akteuren nicht mehr um Rat und Erkenntnis gebeten wird – das Vertrauen in kommerziell arbeitende Agenturen ist offenbar größer -, hat ihr Resümee gezogen: „Obwohl das Thema regionale Identität in dieser Region seit Beginn der 1990er Jahre auf der Tagesordnung stand, sind alle Versuche, eine solche Identität zu induzieren, gescheitert. Es ist deswegen auch nicht mehr verwunderlich, dass das konzeptuelle Niveau der politischen Diskussion in den letzten Jahren wieder dort angekommen ist, wo es vor einem Jahrhundert war“, schreibt Joachim Blatter 2005 in seinem Beitrag „Metropolitan Governance in Deutschland: Normative, utilitaristische, kommunikative und dramaturgische Formen der politischen Steuerung“.
Martin Schaffer und Christoph Scheck kommen in ihrer Arbeit unter der Überschrift „Regionale Kooperation im Rhein-Main-Gebiet“ 2006 zum Schluss: „Was allerdings bis heute fehlt, ist die Bereitschaft der Akteure in der Region, eine Konzeption zu ihrer Umgestaltung anzupacken und dies dann auch stringent umzusetzen. Im polyzentrischen Rhein-Main-Gebiet dominiert in vielen Fällen ein sehr starkes Kirchturmdenken der einzelnen Kommunen und Organisationen und parteipolitisches Taktieren, das wirkliche Fortschritte und sichtbare Erfolge immer noch verhindert.“
Die absehbare Fortschreibung des – untauglichen – Ballungsraumgesetzes des hessischen Landesregierung auf weitere zehn Jahre – ungewöhnlich genug, was den Zeitraum angeht – ist ein neuerlicher Beleg, wie politische Gestaltung vorgetäuscht, tatsächlich aber der unbefriedigende Status quo aus Eigeninteresse fortgeschrieben wird.