Route der Industriekultur FrankfurtRheinMain, Jürgen Schultheis, Frankfurter Rundschau

Route der Industriekultur – Rückblick
auf ein erfolgreiches regionales Projekt

Die Route der Industriekultur in der Metropolregion FrankfurtRheinMain zählt zu den Projekten, die ich als Redakteur der Frankfurter Rundschau journalistisch begleitet und medial unterstützt habe. Das räumliche und inhaltliche Konzept hatten Dr. Peter Schirmbeck (Rüsselsheim) und die Architekten DW Dreysse und Peter Lieser vom Architekturbüro ABS (Frankfurt am Main) entwickelt. Konzepte, die um die Jahrtausendwende in Schubladen schlummerten. Im Zuge der Regionaldebatte über die Metropolregion kam mir der Gedanke, die Route als Bindeglied in einer historisch zersplitterten Region lebendig werden zu lassen.

Die Frage, die wir, ein Kreis von „Regionalisten“ in Rhein-Main und im Ruhrgebiert, damals mit vielen anderen Akteur*innen diskutiert haben, lautete: Welche Identität hat diese Metropolregion FrankfurtRheinMain, die historisch gesehen nie eine gemeinsame Geschichte hatte, und die ein Sammelsurium von kleinen bis kleinsten souveränen „Staaten“ war, angefangen mit der bis 1866 Freien Reichsstadt Frankfurt, mit Hanau und Bad Homburg als Residenzen, ebenso wie Wiesbaden und Darmstadt. Den Beteiligten war damals klar, dass theoretische Konzepte und Ausstellungen allein nicht ausreichen würden, ein Regionalbewusstsein zu stimulieren, das damals – auch in global orientierten Unternehmen in der Region – als notwendig erachtet worden ist für die weitere ökonomische wie gesellschaftliche Entwicklung der Region.

Route der Industriekultur – eine Schiffstour soll alles ändern

Die von Schirmbeck und ABS vorgelegten Konzepte für eine Route waren vor diesem Hintergrund bestens geeignet, um den Menschen im Wortsinne vor Augen zu führen, was die Region durch die alltägliche, aber unbewusste Erfahrung verbindet. Politische Unterstützung gab es seinerzeit nicht, weshalb damals nicht absehbar, ob und wann eine Route auf Grundlage der vorliegenden Konzepte aufgebaut werden würde.

Als FR-Redakteur kam mir der Gedanke, die Zeitung als regionale Plattform zu nutzen, um in Kooperation mit den Autoren, mit InfraServ Höchst und der Frankfurter Primuslinie eine öffentliche Schiffstour zu organisieren, um die Landmarken der Industriegeschichte zu präsentieren.

Unbeantwortet blieb bis dahin die Frage, ob sich überhaupt eine Öffentlichkeit für das Thema und eine solche Tour finden würde. Die Frage war schnell beantwortet: Für die erste Tour am 19. Oktober 2002 hätten wir damals innerhalb von zwei Tagen rund 500 Karten verkaufen können. Selbst die japanische Botschaft hat sich damals für die Tour interessiert. Und ich bin dedr Kollegin Steffi Riechwald, damals im Sekretariat der Rhein-Main-Redaktion, heute noch dankbar für ihre Souveränität, mit der sie den Ansturm bewältigt hat.

Platz genommen haben am Ende dann 300 Personen auf der Nautilus, mehr Personen wollte die Linie aus Sicherheitsgründen nicht auf das Schiff lassen. Dr Schirmbeck hat auf der Tour die einzelnen Gebäude und deren Geschichte im ruhigen Vorbeigleiten auf dem Main erläutert.

Mit dabei waren der damalige Direktor des Plaungsverbandes FrankfurtRheinMain, Horst Faeser, der Oberbürgermeister von Mainz, Jens Beutel, und Wiesbadens Planungsdezernent Joachim Pös, die beide symbolisch während der Tour zugestiegen sind. Es war die Initialzündung für den Aufbau der Route, die dann vom Planungsverband erfolgreich übernommen worden ist.

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FR-Artikel vom 2. September über die erste Tour zur Route der Industriekultur FrankfurtRheinMain.

Text dieses Artikels am Ende des Beitrags.

Acht Jahre später, am 6. August 2010, habe ich die Entwicklung der Route in der Frankfurter Rundschau kommentiert:

Kommentar zur Route der Industriekultur

„Die Rede über „Industriekultur“ löste vor zehn Jahren bestenfalls verwunderte Reaktionen zwischen Rhein und Main aus. Im Regelfall wurde, wer über Industriekultur sprach, eher beiläufig, wenn überhaupt wahrgenommen. Industriekultur, das hatte etwas mit Zechen, Arbeitersiedlungen und Gasometern zu tun – Christo hatte gerade im Gasometer Oberhausen „The Wall“ aufgebaut – aber gewiss nichts mit der Finanz- und Dienstleistungsregion FrankfurtRheinMain.

Das hat sich tiefgreifend geändert: Das Wort Industriekultur lässt heute opulente Bilder in Köpfen entstehen, zaubert den Peter-Behrens-Bau in Frankfurt-Höchst vor das geistige Auge, die Adler-Werke im Gallus, die Sektkellerei und die Wuth’sche Brauerei in Wiesbaden, die Opel-Werke als weltweit einzigartiges Ensemble unterschiedlicher Industrieepochen in Rüsselsheim, den Schlachthof in Offenbach oder dieMaakuh in Aschaffenburg.

Es sind herausragende architektonische oder technische Leistungen, die für den Arbeitsprozess von Generationen stehen und als bemerkenswerte Landmarken das industriell unverwechselbare Profil dieser Region bilden. Es sind Bürgermeister und Referatsleiter in der Region, Mitglieder von Bürgerinitiativen und ehemalige Beschäftigte der Unternehmen, weitblickende Regionalisten wie Lorenz Rautenstrauch, Peter Schirmbeck, DW Dreysse und Peter Lieser gewesen, stille und engagierte Planer und Organisatoren wie Sabine von Bebenburg, die das vollbracht haben.

Dass die Region heute in der Lage ist, ihr industrielles Erbe zu sehen und erleben zu können, ist ihr Verdienst. Man wird dieses Pfund nicht unterschätzen dürfen. Denn mit der Entdeckung jenes Erbes vor der Haustür, den Geschichten über die Produktion in diesen Hallen, die mit einem Male erzählt werden, öffnen sich auch die beteiligten Unternehmen, die die wachsende Popularität der Route der Industriekultur für Imagepflege und Nachwuchswerbung nutzen.

Besser kann es für die Route kaum laufen, die ja nie eine rein museale Route hat sein wollen, sondern immer auch zu den Produktionsstandorten der Gegenwart führen will. So gesehen ist viel erreicht worden. Wahr ist aber auch, dass Land und Kommunen mehr erreichen könnten, wenn sie mehr Geld und eine bessere Organisationsstruktur ermöglicht hätten. Dass die Kulturregion, wo die Route der Industriekultur angesiedelt ist, neben dem Kulturfonds arbeitet, ist nichts weniger als ein Witz und eine Verschwendung von Ressourcen.

Und dass Wiesbaden noch immer nicht Teil des Projektes ist, in dem Aschaffenburg und Miltenberg längst mitwirken, offenbart noch manche politische Borniertheit in der Region.“

 

Dokumentation der FR-Sonderseiten
zur Route der Industriekultur FrankfurtRheinMain

Alle Seiten können als pdf nach Klick auf das Bild heruntergeladen werden

 

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Sonderseite der Frankfurter Rundschau vom 26. Februar 2002 zur Route der Industriekultur FrankfurtRheinMain. Download der Seite nach dem Klick auf das Bild.

 

 

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Interview mit den Frankfurter Architekten DW Dreysse und Peter Lieser in der Frankfurter Rundschau vom 19. März 2002 über das Potenzial und die Chancen einer Route der Industriekultur für die Metropolregion FrankfurtRheinMain. Download der Seite nach Klick auf das Bild.

 

 

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Sonderseite der Frankfurter Rundschau zur Route der Industriekultur FrankfurtRheinMain vom 19. Oktober 2002. Download der Seite nach dem Klick auf das Bild.

 

 

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Interview mit Prof Wolfgang Ebert über die Route der Industriekultur FrankfurtRheinMain vom 6. August 2010. Download der Seite nach dem Klick auf das Bild.

 

 

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Sonderseite der Frankfurter Rundschau zur Route der Industriekultur FrankfurtRheinMain vom 6. August 2002. Download der Seite nach dem Klick auf das Bild.

 

Mehr als 300 Teilnehmer bei einer
Schiffstour zur geplanten Route der Industriekultur

Die geplante Route der Industriekultur ist nach Einschätzung des Mainzer Oberbürgermeisters Jens Beutel geeignet, Bewusstsein für die Rhein-Main-Region zu schaffen. Beutel nahm am Samstag zusammen mit dem Wiesbadener Planungsdezernenten Joachim Pös und mehr als 300 Gästen an einer Schiffstour teil, in deren Verlauf Objekte der Route erläutert wurden.

FRANKFURT A. M. 2. September 2002. Am späten Nachmittag hatte Pös gerade mit sicherer Hand und gutem Auge dem Mainzer Oberbürgermeister Beutel an Bord des Primus-Schiffes „Nautilus“ den Sekt mit ein wenig Orangensaft versüßt, als knapp 250 Kilometer entfernt zur gleichen Stunde Bundespräsident Johannes Rau Zeche und Kokerei Zollverein in Essen als „großartige Symbole der Montangeschichte“ lobte.

„Wir brauchen lebendige Denkmalpflege, damit wir nicht zu Analphabeten der Erinnerung werden“, hatte Rau gesagt und damit auch an die erfolgreiche Route der Industriekultur im Ruhrgebiet erinnert. Ein vergleichbares Projekt will der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt zusammen mit den Anlieger-Kommunen an Rhein und Main realisieren, wo entlang von 120 Flusskilometern Objekte der Industriegeschichte zwischen Bingen und Aschaffenburg über eine Route verbunden werden sollen. Im Unterschied zum Ruhrgebiet soll die Rhein-Main-Route keine rein museale, sondern auch ein Pfad zu den heutigen Produktionsstätten sein.

Pös sagte, dass mit der Route etwas erlebbar gemacht werden soll, ,,was das Leben der Menschen hier bestimmt hat“. Wie man solche Objekte der industriellen Vergangenheit ins Bewusstsein rücke, habe das Ruhrgebiet vorgemacht. Der Planungsdezernent kündigte an, dass die Stadt in den nächsten Monaten ein Konzept für den lokalen Abschnitt einer Route vorlegen wird, auf dessen Grundlage ,,wir Ende des Jahres sagen können, wo die Reise hingeht“.

Für den Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel steht außer Frage, dass die Städte Mainz und Wiesbaden wie auch die gesamte Region Rhein-Main enger zusammenarbeiten müssen. Für den Sozialdemokraten ist die geplante Route ein Projekt, über das Kooperation möglich sei und Regionalbewusstsein entstehen könne. Dabei gehe es auch darum, Touristen als Zielgruppe für die Route ins Auge zu fassen.

Der Direktor des Planungsverbandes Ballungsraum Frankfurt, Horst Faeser, hatte zu Beginn der Fahrt am Eisernen Steg in Frankfurt gesagt, dass die Route ein zentraler Punkt für das Konzept des Regionalparks Rhein-Main sei. Das Interesse an der Schiffstour, die ein Kooperationsprojekt der Frankfurter Schifffahrtslinie Primus, Infraserv und Frankfurter Rundschau war, sei erfreulich.

Dass das Hochheimer Stadtparlament sich darüber beschwert hat, dass drei Objekte in ihrer Kommune bislang noch nicht Teil der geplante Route sind, zeigt, dass das Projekt ein Selbstläufer wird.“

Viele Teilnehmer der Fahrt sprachen sich am Samstag dafür aus, die geplante Route der Industriekultur zu institutionalisieren. Unter ihnen sind Jutta Grönefeld und Erika Heinzmann. Beide sind nicht in der Region geboren, arbeiten aber schon einige Jahre im Rhein-Main-Gebiet. Viele Zuzügler wüssten nicht, warum Frankfurt/Rhein-Main ,,so ist, wie es ist“.

Heinzmann sagte, dass sie in Manchester eine ehemalige Weberei des 19. Jahrhunderts besichtigt habe, die heute als Museum wieder in Betrieb sei. „Das finde ich faszinierend, aber ich weiß nicht, ob es so etwas in der Region gibt.“ Grönefeld erinnerte daran, dass sich in England der National Trust, eine Organisation zum Schutz des nationalen Erbes, „nicht nur um Burgen und Schlösser kümmert, sondern auch um historische Industriestätten“.

Unter den vielen Befürwortern der Route sind auch Tom Orlowski und Camilla Nuyken. Beide kennen das Projekt gleichen Namens im Ruhrgebiet. „Ich freue mich, dass so etwas hier entsteht“, sagt Orlowski. Er wünscht sich aber, dass noch mehr über die Menschen, die in den alten Unternehmen gearbeitet hätten, vermittelt würde.

Beim Besuch des Peter-Behrens-Baus auf dem Infraserv-Gelände in Höchst hatte Geschäftsführer Dieter Kreuziger daran erinnert, dass die Region reich an bemerkenswerten Zeugnissen der Industriekultur sei, die lange Zeit nicht entsprechend gewürdigt worden seien. Der Behrens-Bau gebe die architektonischen Vorgaben für die Gestaltung des neuen Zentrums im Industriepark Höchst.

Im Verlauf der Fahrt hatten der Leiter des Stadtmuseums Rüsselsheim, Peter Schirmbeck, und der Frankfurter Stadtplaner DW Dreysse die einzelnen Objekte und die Idee der Route erläutert.

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