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IAA 2025 – Plädoyer für vernetzte Mobilität und Langsamverkehr

Vernetzte, autonome und emissionsfreie Fahrzeuge sind eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Mobilitätswende im Kopf und für die Verkehrswende auf der Straße. Die IAA 2025 kann deshalb nur Teilantworten geben, wie die Wende eingeleitet werden kann, weil Verkehr vor allem eine Folge unzeitgemäßer Raumstrukturen ist, die Leben und Arbeiten an unterschiedlichen Orten erzwingt und Pendel- und Einkaufsverkehre induziert. Und weil Mobilitätsentscheidungen häufig durch die jeweilige Mobilitätssozialisation beeinflusst sind (Elterntaxi).

In der Summe ist Verkehr heute individuell nachteilig, gesellschaftlich teuer und ökologisch schädlich. Weshalb die Wende im Kopf und auf der Straße überfällig ist. Vernetzte und autonome Fahrzeuge werden langfristig aber die Anzahl der Autos vor allem in Städten verringern, weil es keinen Bedarf mehr für ihren Besitz gibt, wenn Mobilität als Dienstleistung in jedem Moment zu jeder Zeit verfügbar ist. Auf der IAA 2025 wird das vermutlich aber kein Thema sein.

Der Verkehrssektor wird die Herausforderungen mit Eigenmitteln nicht meistern, daran wird die IAA 2025 in München nichts ändern können: Wer Verkehr innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen generationenübergreifend, sozial wie physisch barrierefrei und langfristig verantwortbar organisieren will, muss bei räumlichen Strukturen (Stadt, Land) der arbeitsteiligen Gesellschaft ansetzen. Deshalb gilt: Je dichter die Besiedlung ist, desto mehr müssen sich Mobilitätsangebote am Langsamverkehr (zu Fuß, Rad) im Sinne von Hans Boesch orientieren, dem Schweizer Ingenieur und Verkehrsplaner: „Das menschliche Maß ist der Fuß. Es muss für unsere Wohnwelt, Lebenswelt maßgebend bleiben.“

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IAA 2025: Andreas Rade, Geschäftsführer VDA, im Gespräch mit Dr. Jan Schilling, Vorstand Marketing DB Regio AG, moderiert von Totinia Hörner. (Bild: IAA)

IAA 2025 und der Motorisierte Individualverkehr

Langsamverkehr vermindert den Energie- und Ressourcenverbrauch: Je dichter die Besiedlung ist, je mehr Menschen pro Quadratmeter in Städten leben, desto weniger energieintensiver motorisierter Individualverkehr (MIV) ist notwendig, und desto weniger Verkehrsraum erforderlich, um die alltäglichen Bedürfnisse befriedigen zu können.

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Ein 215 Meter langes Bankett in Paris mit 648 Stühlen – eine Aktion der Republic of Superneighbours in Paris. (Bild: Hyper Voisins)

Dem Langsamverkehr (zu Fuß, mit dem Rad) ist räumlich die Drei- bzw 15-Minuten-Stadt adäquat: Die räumliche und soziale Struktur dieser Stadtform ermöglicht es, Anforderungen und Bedürfnisse der Menschen im Alltag mit diversifizierten Serviceangeboten in unmittelbarer Nähe zu befriedigen, die fußläufig oder mit dem Fahrrad erreichbar sind. Die Drei-Minuten-Stadt, die Republic of Superneighbours, geht mit ihrem Konzept einen Schritt weiter: Sie erhöht durch ihr hohes Maß an sozialer Interaktion das Sozialkapital und stärkt die gesellschaftliche Resilienz. Der Straßenraum ist kein Ort mehr der Dominanz und der permanenten Gefährdung durch den Autoverkehr, sondern wird phasenweise zu einem Begegnungsort der Menschen, wie die Beispiele in Paris zeigen.

IAA 2025: Langsamverkehr und
Drei-Minuten-Stadt sind keine Themen auf der IAA

Stadtviertel und Kieze werden sicherer, sauber, leiser, kinderfreundlicher und lebenswerter.

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Republic of Superneighbours: Patrick Bernard (Bildmitte) im Gespräch mit Anne Hidalgo, der Bürgermeisterin von Paris. (Bild Hyper Voisins)

Je weniger dicht die Besiedlung ist, desto stärker rückt der ÖPNV in den Mittelpunkt mit autonomen Busverkehren und automatisierten Schienenverkehren (Tram, U-Bahn, S-Bahn). Wo die Besiedlung den genannten Grad unterschreitet (Zwischenstadt, Land), bieten On-Demand-Angebote eine Alternative zum Auto. Wo das Auto nicht ersetzt werden kann, fährt es autonom, lokal emissionsfrei, wird geteilt und über Mobilitätshubs in den Schienenverkehr als Massentransportmittel integriert.

Autonomes Fahren macht Autobesitz überflüssig. Über die Vernetzung aller Verkehrsmittel kann jedem Kunden resp. Kundin zu jeder Zeit das jeweils optimale intermodale Angebot gemacht werden, in das auch der emissionsfreie Pkw integriert werden muss. Langfristig werden deshalb deutlich weniger Autos verkauft werden und auf den Straßen unterwegs sein. Ob und wie die Autoindustrie und der Verband der Branche, der VDA, darauf reagiert, wird vermutlich kein Thema auf der IAA 2025 sein.

Vernetzte und integrierte Mobilität macht Autobesitz überflüssig

Für die Unternehmen der Branche nicht nur in Deutschland stellt sich langfristig die Frage, ob sie die Transformation hin zu Mobilitätsdienstleistern bewältigen will bzw bewältigen kann. Mehr Mobilität mti weniger Fahrzeugen – für die lebenwertere Stadt ist das eine vielversprechende Option.

Neue öffentlich-private Partnerschaften steuern die inter- und multimodalen Angebote über Hochleistungsrechner (Quantencomputing). Mobilitätsdienstleister der Zukunft sind dem Ziel verpflichtet, Angebote auch an der letzten Milchkanne zu machen, um den Siedlungsdruck auf die Kernstädte zu verringern.

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