Letzte Generation, Klimawandel, Climate Change. Michael Mann

Die Letzte Generation antwortet auf unser kollektives Versagen beim Klimawandel

Die Letzte Generation und ihre Aktivist*innen sind in den vergangenen Wochen einer Kampagne von Vertreter*innen nahezu aller Parteien und Journalist*innen vieler Medien ausgesetzt worden, die in ihrer Intensität einen Hinweis darauf gibt, dass die Protestbewegung offenbar den Kern eines existenziellen Problems getroffen hat. Es geht um unser Versagen beim Kampf gegen den Klimawandel, Kritiker der Letzten Generation und Polemiker gegen ihre Aktionen versuchen bislang erfolgreich, davon abzulenken.

Diejenigen, die da polemisieren und agitieren, die nach immer schärferen Maßnahmen rufen, um die Mitglieder der Letzten Generationen zu kriminalisieren und in die Nähe des Terrorismus zu bringen, sind häufig auch diejenigen, die nur allzu oft an maßgeblichen Stellen dafür verantwortlich sind, dass vergleichsweise wenig getan und entschieden worden ist, um eine absehbare, aber schon heute erfahrbare Umweltkatastrophe zu verhindern.

Empörung und Verzweiflung der Letzten Generation sind berechtigt, ihr Protest angemessen, wenn nicht überfällig. Unsere anhaltende Passivität angesichts des Klimawandels, unser stilles Mittun und unsere bemerkenswerte Ignoranz könnten als das eigentliche Verwerfliche in der aktuellen Lage verstanden werden – auch wenn über Formen des Zivilen Ungehorsams der Letzten Generation und einzelne Aktionen debattiert werden muss.

Warum das Aufbegehren und der Protest gegen eine allzu pragmatische Tagespolitik, gegen einen auf dauerhaftes Wachstum angelegten Kapitalismus und gegen unseren Konsumismus berechtigt ist, zeigt ein Rückblick auf 200 Jahre Klimaforschung und auf 50 Jahre vielfältigster und vergeblicher Warnungen vor den Folgen des Klimawandels und der Umweltzerstörung.

 

 

„Der Mensch ist ein Teil der Natur, von der er lebt. Der Mensch kann nicht gegen die Natur leben, er muß sich ihr anpassen wie alle anderen Lebewesen auch.“

Ökologisches Manifest, 1972

 

Ist das nicht merkwürdig, wie im Grundton einhellig, wenn auch verschieden akzentuiert, und teils massiv vielfältige Vorwürfe und Anschuldigungen gegen die Letzte Generation vorgebracht werden, obwohl die Auswirkungen des Klimawandels längst fatal sind? Dass die Staatsanwaltschaft der Gruppe unterstellt, eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet zu haben? Dass die CDU gar ein Gesetz vorbereitet, das Vereinsverbote im Umfeld der Gruppe ermöglichen soll?

Wer vor dem Begriff „Klima-RAF“ zurückschrecke, der traue sich nicht, der realen Gefahr ins Auge zu blicken, sagt Alexander Dobrindt (CSU). Es „braucht deutlich härtere Strafen für Klimachaoten, um einer weiteren Radikalisierung in Teilen dieser Klimabewegung entgegenzuwirken … Die Entstehung einer Klima-RAF muss verhindert werden.“

Friedrich Merz (CDU) nennt die Mitglieder der Gruppe „kriminelle Straftäter“, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wirbt für harte Strafen und warnt die Aktivist*innen, dass hohe Schadensforderungen auf sie zukommen könnten: „Wenn die Geschädigten die Schäden gegenüber den Verursachern geltend machen, dann werden sie diese Schäden unter Umständen ein Leben lang abzutragen haben.“

Franziska Giffey (SPD) bezeichnet die Aktionen als „vollkommen inakzeptabel“, allein in der Bundeshauptstadt laufen 2000 Verfahren gegen die Gruppe, erste Geldstrafen sind verhängt worden. Auch Bundesinnen­ministerin Nancy Faeser (SPD) spricht davon, dass  Flughafen zu blockieren „absolut inakzeptabel“ sei, und Volker Wissing (FDP) nennt die Aktionen „immer skrupelloser“.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) bezeichnet das Vorgehen der Demonstranten, die Autobahnen und Flughäfen blockieren, als eine »Form der Selbstermächtigung und Selbstüberhöhung«.

Klimawandel: Die Blockade als Verzweiflungstat

Wäre es denkbar, dass die Vertreter*innen der Letzten Generation gute Gründe haben für ihre Blockadeaktionen und Bilderattacken, über die in der Tat debattiert, vielleicht sogar gestritten werden muss? Könnte es sein, dass Empörung, Hass und Wut, die ihnen entgegenschlagen, erfolgreich von der einen, mutmaßlich wichtigsten Frage ablenken, was nämlich unbescholtene junge Menschen bewegen mag, ihr bürgerliches Leben aufzugeben, bereitwillig Strafen auf sich zu nehmen und schlimmstenfalls wochenlang in Vorbeugehaft zu sitzen? Warum lotet niemand aus, was diese Verzweiflungstaten auslöst, denn nichts anderes sind sie – Verzweiflungstaten?

Wiegen diese Gründe womöglich so schwer, dass die Gruppe keinen anderen Ausweg mehr sieht als Straßen und Landebahnen zu blockieren und Gemälde zu attackieren? Um darauf hinzuweisen – und das ist der Kern der Botschaft -, dass unsere westliche Lebensweise nicht universalisierbar ist – es sei denn um den Preis des Untergangs dieser Zivilisation?

Die Gründe wiegen in der Tat so schwer angesichts eines Klimawandels, der seit Jahren viele Opfer fordert und Milliarden Euro an Schäden verursacht hat! Und seit einem halben Jahrhundert nehmen wir es  „billigend in Kauf, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen könnten“, genauer: dass zehntausende Menschen sterben als Folge eines menschengemachten Klimawandels, gegen den wir trotz vielfältiger Warnungen und Hinweise bestenfalls halbherzig vorgehen.

Und ja, es gibt tatsächlich Fortschritte im Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel: Das Verbot von FCKWs und Halonen gehört dazu (Montreal-Protokoll), auch das strikte Vorgehen gegen den Schwefeldioxidausstoß, ein Verdienst, das Klaus Töpfer aus Umweltminister zukommt (und das er mit der Demission aus dem Amt bezahlt hat, um einer gewissen Angela Merkel Platz zu machen). Ohne Zweifel sinkt auch in manchen Sektoren hier zu Lande  der CO2-Ausstoß. Das alles  stimmt im RÜCKBLICK. Bezogen auf die Ziele, auf die wir uns verpflichtet haben, also im AUSBLICK, sind es bestensfalls kleine, in jedem Fall unzureichende Schritte.

Wenn Unbeteiligte zu Schaden kommen

Die Liste der Warnungen und die der Unterlassungen ist lang, mit denen in den vergangenen Jahrzehnten billigend in Kauf genommen worden ist, dass „Unbeteiligte“ zu Schaden kommen. Werfen wir einen Blick zurück auf die Vielzahl solcher Warnungen.

 

„Human beings and the natural world are on a collision course. Human activities inflict harsh and often irreversible damage on the environment and on critical resources. If not checked, many of our current practices put a serious risk the future that we wish for human society and the planet and animal kingdoms, and may so alter the living world that it will be unable to sustain life in the manner that we know. Fundamental changes are urgent if we are to avoid the collision our present course will bring about.“

World Scientists´ Warning to Humanity, 1992

 

Billigend in Kauf zu nehmen, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen könnten, ist ein Vorwurf an die Letzte Generation, den Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) ausgerechnet denen macht, die gegen diese Untätigkeit mit ihren verheerenden Folgen protestieren.

Tatsächlich nehmen wir seit vielen Jahrzehnten billigend in Kauf, dass Unbeteiligte in aller Welt zu Schaden kommen, zuletzt vor unserer Haustüre im Ahrtal, aber auch im Europa der Hitzewellen, Überschwemmungen und Feuersbrünsten und in einer Welt, die einen immer höheren Preis an Leben und Schäden für unser hausgemachtes Problem zahlt – den Klimawandel mit seinen verheerenden Folgen.

50 Jahre vergebliche Warnungen vor einer möglichen globalen Katastrophe

Dieser Beitrag behandelt vor diesem Hintergrund die Geschichte der Erforschung des Klimawandels, zitiert eine Auswahl von – weitgehend vergeblichen – Warnungen, die auf Grundlage dieser Erkenntnisse ausgesprochen worden sind in den vergangenen 50 Jahren und stellt die Frage, ob nicht eigentlich wir alle, die Masse der Untätigen, die ungezählten Desinteressierten und allgegenwärtigen Konformisten in Vorbeugehaft genommen werden müssten wegen passiver Mittäterschaft bei Sachbeschädigungen im global irreversiblen Ausmaß.

Jedenfalls könnte das eine Schlussfolgerung sein aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr zum Klimaschutzgesetz, gegen das die gleiche Regierung massiv verstößt.

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Die Schadensbilanz der Europäischen Umweltagentur, die Anfang 2022 vorgelegt worden ist.

Die aktuelle Lage ist lange schon besorgniserregend. Um welches Ausmaß es dabei geht, hat die Europäische Umweltagentur (EEA) in einer Bilanz der Schäden durch Extremwetterlagen als Folge des Klimawandels für den Zeitraum der vergangenen 40 Jahren dokumentiert:

„Extreme weather events like storms, heatwaves and flooding accounted for economic losses of around half a trillion euros over the past 40 years and led to between 85.000 and 145.000 human fatalities across Europe. Less than one-third of these losses were insured, according to a European Environment Agency (EEA) analysis of economic losses and fatalities from weather and climate-related events.“

Die EEA kommt zum Schluss:

  • In absolute terms, the highest economic losses in the period 1980-2020 were registered in Germany followed by France and then Italy.
  • The highest losses per capita were recorded in Switzerland, Slovenia and France, and the highest losses per area were in Switzerland, Germany and Italy.
  • Around 23 % of total losses were insured, although this also varied considerably among countries, from 1 % in Romania and Lithuania to 56 % in Denmark and 55 % in the Netherlands.

„The assessment also found that the overwhelming amount of the fatalities — more than 85% in the 40-year period — was due to heatwaves. The heatwave of 2003 caused most fatalities, representing between 50 and 75% of all fatalities from weather and climate-related events over the last four decades, according to the data.“

75.000 Tote als Folge nur einer Hitzewelle

Die 2003er Hitzewelle hat in Europa rund 75.000 Menschen das Leben gekostet.

2019 waren die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre höher als zu jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen zwei Millionen Jahren. Bei CH4 und N2O waren die Konzentrationen der klimaschädlichen Gase auf einem Niveau wie in den vergangenen 800.000 Jahren nicht.

Was aber bedeuten zwei Millionen Jahre? Die Gattung homo sapiens, des mutmaßlich verständigen Menschen (sapiens), ist 300.000 Jahre alt, der homo erectus hat vor 700.000 bis 300.000 Jahre gelebt und der homo rudolfensis, der älteste Vertreter der Gattung  homo, ist 2,5 Mio Jahre alt. Kurzum: Wir erleben ein selbst verursachtes Klimaregime, das bislang einmalig in der gesamten Menschheitsgeschichte ist.

Die Schäden durch klimawandelbedingte Extremwetterlagen steigen. Erst zum dritten Male seit 1970 hat der zweitgrößte Rückversicherer der Welt, SwissRe, im vergangenen Jahr (2021) eine Schadenssumme von mehr als 100 Milliarden US-Dollar weltweit gemeldet.

Die höchsten Schäden außerhalb der USA sind 2021 in Deutschland registriert worden.

Hoesung Lee, Vorsitzender des IPCC, sagte bei der Präsentation des 6. Synthesebericht des Weltklimarates im Frühjahr 2022: „This report is a dire warning about the consequences of inaction. It shows that climate change is a grave and mounting threat to our wellbeing and a healthy planet … The world faces unavoidable multiple climate hazards over the next two decades with global warming of 1.5°C (2.7°F). Even temporarily exceeding this warming level will result in additional severe impacts, some of which will be irreversible. Risks for society will increase, including to infrastructure and low-lying coastal settlements.“

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UN Generalsekretär Antonio Guterres bei der Vorstellung des Berichts der Arbeitsgruppe III für den 6. Synthesebericht des IPCC im Frühjahr 2022.

Guterres: „Sie lügen, und die Folgen werden katastrophal sein“

Vor diesem Hintergrund hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Präsentation des letzten Abschnitts des 6. Syntheseberichts Anfang 2022 Tacheles gesprochen. Er sagte unter anderem:

„Die Geschworenen haben ihr Urteil gefällt, und es ist vernichtend. Der Bericht des Weltklimarates ist ein Dokument gebrochener Klimaversprechen. Es ist ein Dokument der Schande, das leere Versprechen auflistet, und die uns auf den Pfad hin zu einer unbewohnbaren Erde bringen …

Wir sind auf der Überholspur in Richtung Klimakatastrophe … Einige Regierungen und Wirtschaftsführer sagen das eine, tun aber das andere. Einfach ausgedrückt: Sie lügen, und die Folgen werden katastrophal sein. Wir haben einen Klimanotstand …

Klimawissenschaftler warnen, dass wir bereits gefährlich nahe an Kipppunkten sind, die zu kaskadierenden und unumkehrbaren Klimaveränderungen führen können …

Aber hochrangige Regierungen und Konzerne drücken nicht nur ein Auge zu, sie gießen Öl ins Feuer und ersticken unseren Planeten …

Klimaaktivisten werden manchmal als gefährliche Radikale dargestellt, aber die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Staaten, die in wachsendem Maße in die Produktion fossiler Brennstoffe investieren.“

Das CO2-Budget ist in Deutschland im Jahr 2027 aufgebraucht

Über die Folgen der Untätigkeit und darüber, was das für unser CO2-Budget in Deutschland bedeutet, hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) nahezu unbeachtet von allen Lautsprechern, Populisten und Hardlinern gegen die Letzte Generation im Juli 2022 mit der Drucksache 20/2795 den Bundestag unterrichtet („Wie viel CO2 darf Deutschland maximal noch ausstoßen?“): Bei linearer Reduktion des Kohlendioxidausstoßes wäre unser anteiliges Budget, also die Menge CO2, die wir in Deutschland noch emittieren dürfen, wenn wir die Erderwärmung auf 1,5°C global begrenzen wollen (bei 67% Wahrscheinlichkeit), bereits im Jahr 2027 aufgebraucht.

Für die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften, steht deshalb außer Frage, dass wir eine „Tragödie der Langzeitziele“ erleben: „Täglich wächst die Kluft zwischen der sich abzeichnenden existentiellen Bedrohung durch den Klimawandel und immer wieder aufgeschobenem politischem Handeln.“ Mit der Konsequenz, dass die durchschnittliche Erwärmung weltweit inzwischen bei 1,1° C über der vorindustriellen Zeit liegt und in Deutschland bei 1,6° C.

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Der Verlauf der Erderwärmung seit 1850

Längst liegen zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten vor, die skizzieren, mit welchen Lebensbedingungen wir zurechtkommen müssen, falls keine harte und massive Kurskorrektur in der Klimapolitik eingeleitet wird. Die Ergebnisse dreier herausragender Arbeiten will ich kurz vorstellen.

 

Klimawandel: Drei fundamentale Beiträge

„Future of the human climate niche“ (Oktober 2019):

Der Beitrag erläutert, dass für die menschliche Entwicklung eine globale mittlere Jahrestemperatur von durchschnittlich 13° C notwendig gewese ist. Die Forscher*innen bezeichnen den Korridor von 11°C bis 15°C als die Klima-Nische für die Menschheit. Der Klimawandel führt aber dazu, dass sich in den nächsten 50 Jahren diese Klima-Nische mehr verändern wird als in den vergangenen 6000 Jahren. Das wird dazu führen, dass 1/3 der Menschheit, zwischen einer und drei Milliarden Menschen, einer globalen mittleren Jahrestemperatur von 29° C ausgesetzt sein wird. Temperaturen, wie sie derzeit nur auf 0,8% der Erdoberfläche herrschen (Link).

„Understanding climate change from a global analysis of city analogues“ (Juli 2019):

Der Beitrag untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf die Städte weltweit. Dazu haben die Forscher*innen 520 Städte untersucht und angenommen, dass sich das Klima nach Prognosen im Szenario RCP 4.5 des Weltklimarates ändert und die Temperaturen nur moderat steigen.

Um das Ergebnis anschaulich zu machen, hat das Team so genannte Stadt-Analogien hergestellt, um die prognostizierten Veränderungen zu beschreiben. Danach rücken europäische Städte klimatisch jedes Jahr 20 km weiter nach Süden. 2050 wird beispielsweise in Madrid ein Klima vorherrschen wie heute in Marrakesch. In 22% der untersuchten Städte wird es aber 2050 ein Klimaregime geben, dass es heute noch nicht gibt auf der Erde.

„These trends highlight the extreme vulnerability of tropical and sub-tropical cities, 30% of which will experience shifts into entirely novel climate regimes with no existing analogues across the world´s major cities.“ (Link)

„Climate Endgame: Exploring catastrophic climate change scenarios“ (März 2022):

Umsichtiges und besonnenes Risikomanagement erfordert die Berücksichtigung so genannter „Bad-to-Worst-Case Scenarios“, argumentieren die Forscher*innen in ihrem aktuellen Beitrag. Bislang sind die Auswirkungen solcher Szenarien für den Klimawandel aber kaum erforscht worden. Im Ergebnis kommen das Forscherteam zum Schluss, dass es zahlreiche Gründe gibt anzunehmen, dass der Klimawandel in einer globalen Katastrophe enden könnte.

„There is ample evidence that climate change could become catastrophic. We could enter such ,endgames´at even modest levels of warming … Facing a future of accelerating climate change while blind to worst-case scenarios is naive risk management at best and fatally foolish at worst.“

Und schlimmstenfalls tödlich dumm – offenbar teilt die Letzte Generation im Unterschied zur großen Mehrheit hier zu Lande diese Schlussfolgerung des Forscherteams und sucht einen Weg, das schlimmstenfalls tödlich-dumme Szenario zu verhindern – während jene, die per Amtseid verpflichtet sind, Schaden von diesem Land und seinen Menschen abzuwenden, die junge Generation durch Präventivgewahrsam darin hindern wollen und die Staatsanwaltschaft der Gruppe vorwirft, eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet zu haben (Link).

Die Zeitenwende beginnt mit der Großen Beschleunigung

Welche Dimension die Tragödie hat, zeigt die aktuelle Wahl des Wortes „Zeitenwende“ zum Wort des Jahres 2022 durch die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Der Bundeskanzler hatte es ausgesprochen, um den dramatischen Einschnitt zu bezeichnen, der durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöst worden ist.

Die große Beschleunigung setzt um die Jahrhundertwende ein und gewinnt seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts enorm an Tempo. Die Kurven, die am linken Bildrand beginnen, bezeichnen die Entwicklung der Oberflächentemperatur, die Bevölkerungsentwicklung, die CO2-Konzentration und das weltweite Bruttoinlandsprodukt. Die Kurven, die nach 1950 beginnen, bezeichnen den Papierverbrauch, die Motorisierung (schwarze Linie), den Fischfang und die Größe des Ozonlochs (hellbraune Linie).
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Darstellung der Großen Beschleunigung nach Sektoren in Warning to Humanity: A second notice.

Tatsächlich hat die Zeitenwende im Zuge der Großen Beschleunigung (Great Acceleration) längst stattgefunden: „The second half of the 20th Century is unique in the history of human existence. Many human activities reached take-off points sometime in the 20th Century and sharply accelerated towards the end of the century. The last 60 years have without doubt seen the most profound transformation of the human relationship with the natural world in the history of humankind“, beschreibt das International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP) den dramatischen Wandel, den wir heute mit dem Begriff Anthropozän bezeichnen.

Aber wussten wir davon? Hatten wir die Möglichkeit zu erkennen, was uns drohen könnte, worauf wir zusteuern? Sind wir also verantwortlich für das, was seit Jahren geschieht und unsere Mitwelt so massiv verändert wie sonst nur geologische Ereignisse (Supervulkane, Meteoriteneinschläge, Erdbeben)?

Die Erde klagt gegen den Menschen

Iudicium Iovis ad quod mortalis homo a terra tractus parricidii accusatusvon, Paulus Niavis

Warnungen, dass der Eingriff des Menschen in seine Mitwelt gefährlich sind, hat es seit der Antike gegeben. In der Literatur über Umweltzerstörung und Anthropozän wird gelegentlich das Iudicium Iovis von Paulus Niavis aus dem Jahr 1490 erwähnt. Das Bild zeigt eine Gerichtsverhandlung, bei der die Erde in Gestalt einer verletzten Frau mit zerrissenen Kleidern vor Jupiter Anklage gegen den Menschen erhebt. Er, der Mensch, gebe sich nicht mit den Früchten der Erde zufrieden, klagt die Frau, er sei unersättlich, dringe zwecks Erzabbaus in die Erde ein und füge ihr große Verletzungen zu.

Trotz des halben Jahrtausends, das unsere Gegenwart von der Niavis´ trennt, hat das Bild seine Wirkkraft nicht verloren. Im Gegenteil: Das Iudicium Iovis ist vermutlich DAS – modern gesprochen – Meme der Gegenwart, ein Sinnbild für die Folgen eines enthemmten Eingriffs in unsere Mitwelt, der den Fortbestand der Menschheit gefährden kann.

Alexander von Humboldt war vermutlich der erste, der die Natur als ein lebendiges Ganzes verstanden hat, in dem sich die Organismen zu einem netzartig verschlungenen Gewebe verbinden, und der angesichts seiner Erfahrungen am Valencia-See begriffen hat, welche Folgen Umweltzerstörungen haben können. Humboldt warnte vor solchen Eingriffen, bezeichnete menschliche Eingriffe als „incalculabel“. Und er war der vermutlich Erste, der den Menschen gemachten Klimawandel beschreibt in seiner Reise in die Aequinoctal-Gegenden des neuen Kontinents.

Friedrich Engels und die Dialektik der Natur

Friedrich Engels steht noch in dieser Tradition des Naturverständnisses, als er in der „Dialektik der Natur“ schreibt: „Die ganze uns zugängliche Natur bildet ein System, einen Gesamtzusammenhang von Körpern.“

Dass wir diesen Zusammenhang aus den Augen verlieren, ahnt Engels offenbar schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, offenbar unter dem Eindruck, den Justus von Liebig und seine Entwicklung des Kunstdüngers auf ihn gemacht hatte: „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben.“

Wissenschaftler*innen des Klimawandel von 1800 bis 1960 (Auswahl): Jean-Baptiste Fourier, Eunice Foote, John Tyndall, Svante Arrhenius, Thomas Chamberlain, Guy S. Callender, Gilbert Plass und Charles D. Keeling
Wissenschaftler*innen des Klimawandel von 1800 bis 1960 (Auswahl): Jean-Baptiste Fourier, Eunice Foote, John Tyndall, Svante Arrhenius, Thomas Chamberlain, Guy S. Callender, Gilbert Plass und Charles D. Keeling

Dass menschliche Einwirkungen auf seine Mitwelt auch Folgen für die Atmosphäre haben, ist spätestens seit John Tyndall bekannt:  Der Wissenschaftler untersuchte die Streuung und Absorption von Licht in der Atmosphäre und veröffentlich 1861 den Beitrag „On the absorption and Radiation of Heat by gases and Vapours, and on the Physical Connexion of Radiation, Absorption and Conduction“ im London, Edinburgh and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science.

Sein Ergebnis: Erhebliche Verringerungen im CO2-Gehalt der Luft können eine neue Eiszeit ein – oder umgekehrt im Fall einer Erhöhung des CO2-Gehalt – eine globale Erwärmung auslösen.

Mit Svante Arrhenius, der in Leipzig mit Wilhelm Ostwald und in Würzburg mit Friederich Kohlrausch gearbeitet hat, wird dieser Zusammenhang bestätigt und die Korrelation von CO2-Gehalt und Lufttemperatur ziemlich präzise berechnet.

1896 veröffentlicht Arrhenius den Beitrag On the influence of Carbonic Acid in the Air upon the temperature of the Ground ebenfalls im London, Edinburgh and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science publiziert, und kommt zum Ergebnis, dass eine Verdopplung des CO2-Gehalts der Atmosphäre zu einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur um bis zu 6° C führt.

Ägyptenfeldzug und Treibhauseffekt

Zugleich erinnert Arrhenius an einen Begriff, den Jean-Baptiste Fourier während seiner Studien in Ägypten als Begleiter des Feldzuges von Napoleon Bonaparte geprägt hat: Die flirrende Luft verhalte sich wie in einem Treibhaus (Glass of Hothouse).

1850 lag die CO2-Konzentration der Atmosphäre bei 280 ppm. Eine Verdopplung würde zu einer Konzentration von 580 ppm und einem Plus von fünf bis sechs Grad führen. Heute beträgt die Konzentration 417 ppm bei einem Plus von 1,1° C weltweit – mit der Perspektive, dass wir bis 2100 ein Plus von 2,7° bis 3° C erreichen.

T. C. Chamberlain, Klimawandel, Letzte Generation, Kriminalisierung, IPCC, EEA, Coal Dust, Coal Consumption
CO2-Ausstoß und Folgen

20 Jahre später gibt Arrhenius einen Ausblick auf eine Zukunft, die heute Realität geworden ist. In seinem Buch Chemistry in modern life von 1919 und nach der Erfahrung des Ersten Weltkrieges, der wachsenden Autoproduktion und der explosionsartig steigenden Nachfrage nach Öl, schreibt er:

 

Wie wahnsinnige Verschwender geben wir das aus, was wir als Erbe von unseren Vätern erhalten haben. Unsere Nachkommen werden uns sicherlich dafür tadeln, dass wir ihr gerechtes Geburtsrecht vergeudet haben … Ein Staatsmann kann sich nicht darauf berufen, dass die Entwicklung so weit geht, dass die Menschheit in einigen hundert Jahren Gefahr läuft, ihre natürlichen Ressourcen zu verlieren … Du sollst nicht verschwenden.“

Svante Arrhenius, 1919

 

Er fordert die Verabschiedung von Rechtsvorschriften mit Ziel, den Verbrauch zu reduzieren und Naturschutz und Erhaltung zu fördern.

Die Dimension dieser Erkenntnis wird aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich, verbunden mit der Erfahrung, welche Folgen die Große Beschleunigung (Great Acceleration) zeitigt. „In den USA ebenso wie in Teilen Europas kommt bereits im Laufe der 50er Jahre in die Klagen über Wasser- und Luftverschmutzung, manchmal auch über Landschaftsverschandelung und Lärmbelästigung ein neuer herausfordernder Ton, der nach Fundamentallösungen verlangt“, schreibt Joachim Radkau in Natur und Macht – eine Weltgeschichte der Umwelt. Naive Technikgläubigkeit schlägt angesichts der Umweltschädigungen in Unbehagen um, das mit dem „50er Jahre Syndrom“ auf den Begriff gebracht wird.

Der Mensch, der sein Nest beschmutzt

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Rachel Carsons Buch „Silent Spring“

Vor diesem Hintergrund entsteht Rachel Carsons Buch Silent Spring (1962), das im Vorwort mit den Sätzen eingeleitet wird, „unsere Zivilisation droht zum Opfer ihrer eigenen Errungenschaften zu werden: wir verpesten unsere Atemluft mit Abgasen, Rauch und Industriestaub; wir vergiften die Gewässer, wir verseuchen die Erde mit radioaktiven Strahlen. Und mit all dem benehmen wir uns unvernünftiger als jeder Vogel, dem es schwerlich einfiele, sein eigenes Nest zu beschmutzen.“

Mit dem Beginn der 70er Jahre, der Begründung des Earth Days in den USA als Erinnerung daran, dass wir über unsere Verhältnisse leben, setzen die für uns heute so relevanten, aber eben auch überhörten Warnungen ein, die der Letzten Generation allen Anlass gibt, mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen ein halbes Jahrhundert weitgehender Untätigkeit zu protestieren.

Den Auftakt machen die Autor*innen des „Report of the Study of Critical Environmental Problems“ (SCEP), für den im Juli 1970 42 Wissenschaftler*innen von Rang und Namen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) vier Wochen zusammenkommen, zeitweilig unterstützt von weiteren 80 Expert*innen aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen, um Umweltprobleme zu diskutieren.

Im Kapitel „Climatic Effects of Man´s Activities“ heißt es: „In the past century there has been a general warming of the atmosphere of about 0,4°C up to 1940 … We know that the atmosphere is a relatively stable system. The solar radiation that is absorbed by the planet and heats it must be almost exactly balanced by the emitted terrestrial infrared radiation that cools it; otherwise the mean temperature would change more rapidly than just noted…

… the delicacy of this balance and the consequences of disturbing it make it very important that we attempt to assess the present and prospective impact of man´s activities on this system…

 

„However, in reality man does intervene, because he can – without intending to do so – reach some leverage points in the system.“

SCEP-Bericht des MIT, 1970

 

Über die Bedeutung des CO2-Gehalts der Atmosphäre schreiben die Wissenschaftler*innen, „we stress that the long-term potential consequences of CO2 effects on the climate of societal reaction to such threats are so serious that much more must be learned about future trends of climate change.“

Mit diesem Report, der von der mutmaßlich ersten interdisziplinären Gruppe von hochrangigen Expert*innen in diesen vier Wochen erarbeitet worden ist, waren die Risiken und Konsequenzen benannt und vorsichtig umrissen.

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Wenn es eine Zeitenwende im Verständnis der technologischen Zivilisation, des Wachstumsdogmas einer neoliberal fundierten Wirtschaftsgesellschaft der Hayek- und Mises-Schule geben sollten, dann hätte sie durch die Publikation des Buches „Die Grenzen des Wachstums – Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“ von 1972 eingeleitet werden können. Ein Buch, das bis heute mehr als 30 Millionen mal verkauft und in 30 Sprachen übersetzt worden ist. Der Bericht für den „Club of Rome“ hat der Umweltbewegung einen enormen Schub gegeben und vielleicht zum ersten Male in der Öffentlichkeit – jenseits der Expert*innenkreise  – eine umfassende Diskussion ausgelöst. Zum mutmaßlich ersten Male war auf Grund der damals unzureichend verfügbaren Daten und mit einem aus heutiger Sicht eher bescheidenen Computermodell ein Zukunftsszenario entworfen worden, das die Grenzen des Wachstums aufzeigte:

„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

Der Bericht weist auch darauf hin, dass uns aus diesem „teuflischen Regelkreis“ technische Lösungen allein nicht herausführen werden.

Drei Jahre zuvor – 1969 – hatte der UN Generalsekretär U Thant, einer der Vorgänger im Amt von Antonio Guterres, im Blick auf Bevölkerungswachstum und Umweltzerstörung geschrieben, dass er „die Zustände nicht dramatisieren“ wolle und zur globalen Zusammenarbeit aufgerufen. „Wenn eine solche weltweite Partnerschaft innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht zustande kommt, so werden, fürchte ich, die erwähnten Probleme derartige Ausmaße erreicht haben, dass ihre Bewältigung menschliche Fähigkeiten übersteigt.“

Deutlicher und der Öffentlichkeit zugänglicher ist das „Ökologisches Manifest“ von 1972, das u.a. vom Medizin-Nobelpreisträger und Verhaltensforscher Konrad Lorenz, Bernhard Grzimek und Hubert Weinzierl .

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Lorenz war durch Rachel Carsons „Silent Spring“ sensibilisiert worden und hatte erkannt, dass uns über die Erfahrung einer mutmaßlichen technischen Machbarkeit der Welt das Gefühl für die Einmaligkeit und Unwiederbringlichkeit des Lebendigen abhanden gekommen sei.

Grzimek wiederum ist bei der Formulierung des Ökologischen Manifests bis 1973 der Beauftragte der Bundesregierung für den Naturschutz,  1975 gründete er zusammen mit Horst Stern und 19 anderen Umweltschützern den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), bis zu seinem Tode 1987 war Grzimek Präsident der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.

Weinzierl war Umwelt- und Naturschützer beim Bund Naturschutz die Wende vom unpolitischen und eher geselligen Verein hin zum naturschutz- und umweltpolitischen Interessenverband ein. Er trieb auch die bundesweite Ausdehnung zum Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) voran, dessen Vorsitzender er von 1983 bis 1998 war.

„Wenn wir uns retten wollen, dann müssen wir die Natur für den Menschen vor dem Menschen schützen … Auch der Ideologie, daß nur das wirtschaftliche Wachstum die Zukunft sichere, muß ein Ende bereitet werden. Die ökonomischen Ziele des Menschen müssen sich nach den Gesetzen der Natur richten. Diese Grenzen benennt uns die Ökologie, die umfassende Wissenschaft vom Zusammenwirken aller Erscheinungen der Natur einschließlich des Menschen. Die ökologischen Erkenntnisse können lebensrettend sein.“

Download des Manifestes unter diesem Link.

World Scientists´ Warning to Humanity, Union of Concerned Scientists, Klimawandel, Letzte Generation, Kriminalisierung, IPCC, EEA, Transformation, CO2, Jürgen SchultheisZu den bemerkenswertesten Hinweisen auf die möglichen Konsequenzen einer fortschreitenden Umweltzerstörung zählt die Warnung von 1700 Wissenschaftler*innen Anfang der 90er Jahre. Bemerkenswert deshalb, weil seinerzeit mehr als die Hälfte der damals lebenden Nobelpreisträger zu den Unterzeichner*innen gehört haben, dessen Titel wenig Unklarheit zulässt. Unter der Überschrift „World Scientists´ Warning to Humanity“ heißt es:

„Human beings and the natural world are on a collision course. Human activities inflict harsh and often irreversible damage on the environment and on critical resources. If not checked, many of our current practices put a serious risk the future that we wish for human society and the planet and animal kingdoms, and may so alter the living world that it will be unable to sustain life in the manner that we know. Fundamental changes are urgent if we are to avoid the collision our present course will bring about.“

Die Unterzeichner*innen sprechen fünf Empfehlungen aus und leiten diese Hinweise mit einer Warnung ein.

„We the undersigned, senior members of the world´s scientific community, hereby warn all humanity of what lies ahead. A great chance in our stewardship of the earth and the life on it is required, if vast  human misery is to be avoided and our global home on this planet is not to be irretrievably mutilated.“

Download unter diesem Link.

World Scientists´ Warning to Humanity, Second Notice, Union of Concerned Scientists, Klimawandel, Letzte Generation, Kriminalisierung, IPCC, EEA, Transformation, CO2, Jürgen Schultheis

25 Jahre später, nach einer Phase weitgehenden Stillstandes, sieht man vom weitreichenden Montreal-Protokoll und dem damals vereinbarten Verbot der Fluorkohlenwasserstoffe ab, das gegen den Widerstand der Industrie beschlossen worden ist, erscheint „World Scientists´ Warning to Humanity: A second Notice“, herausgegeben unter Leitung von William J Ripple, Distinguished Professor of Ecology an der Oregon State University.

Das Dokument ist damals von rund 16.000 Wissenschaftler*innen aus mehr als 184 Staaten der Welt unterzeichnet worden. Darin heißt es:„On the twenty-fifth anniversary of their call, we look back at their warning and evaluate the human response by exploring available time-series data. Since 1992, with the exception of stabilizing the stratosphere ozone layer, humanity has failed to make sufficient progress in generally solving these foreseen  environmental challenges, and alarmingly, most of them are getting far worse.“

Die wachsende Menge emittierter Treibhausgase, Entwaldung und die Zucht von Rindern für das wachsende Angebot an Fleisch sorgen die Wissenschaftler*innen. „Moreover we have unleashed a mass extinction event, the sixth in roughly 540 million years, wherein many current life forms could be annihilated or at least committed to extinction by the end of this century.“

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„Die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen sind berechtigt“

Im März 2019 reagiert schließlich eine wachsende Zahl von Wissenschafler*innen auf die zunehmenden Proteste junger Menschen gegen Klimawandel und Umweltzerstörung, . „Die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen sind berechtigt“, heißt es in der Stellungnahme, die zur Gründung der Scientists´ for Future führt.

„Zurzeit demonstrieren regelmäßig viele junge Menschen für Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären wir auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse: Diese Anliegen sind berechtigt und gut begründet. Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus.“

Mehr als 26.800 Wissenschaftler*innen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland unterzeichnen den Aufruf. Die Wissenschaftler, die sich unter dem Namen Scientists for Future zusammengeschlossen haben, äußerten, dass die Anliegen berechtigt und gut begründet seien. Aus wissenschaftlicher Sicht reichten die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz bei Weitem nicht aus.

Klimawandel und Konstruktive Schizophrenie als Ausweg

Wir sind gut informiert über die Folgen unserer Art zu Wirtschaften und zu Leben, die Dokumente liegen vor, sie sind rechtzeitig veröffetlicht worden und lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Was in den Studien steht, gehört zweifelsohne nicht zum Allgemeinwissen (vielleicht sollte es das), aber Politiker*innen, die im Regelfall über geeignete qualifizierte Mitarbeiter*innen verfügen, die solches Wissen verfügbar machen können, für solche Politiker*innen ist die Lektüre Pflicht vor allem dann, wenn diejenigen kriminalisiert werden, die um ihre – und unsere – Zukunft fürchten.

Die, die jetzt in die Rolle der Scharfmacher schlüpfen und mit jeder Woche in Ton und Forderungen härter werden und weiter gehen, sind diejenigen, die in der Vergangenheit unter dem Einfluss von Lobbygruppen die großen Schritte in Richtung Klimaschutz verhindert haben. Die Tragödie könnte darin liegen, dass mit jedem Schritt hin zur Kriminalisierung der Letzten Generation sich die Prophezeiung am Ende selbst erfüllt – dass nämlich manche der Aktivist*innen als letzten Ausweg aus dem zugewiesenen Status der Kriminellen und dem faktischen Ausschluss aus der Gesellschaft für sich nur noch den Irrweg gehen werden, Gewalttaten zu verüben – und die Scharfmacher dann sagen könnten, die auf diese Radikalisierung tatkräftig hingewirkt haben, dass sie es schon immer gewusst hätten.

 

Was bleibt am Ende? Vielleicht diese Empfehlung:

„Für die Fühlsamen und die Bewussten mag sich daher so etwas wie eine Haltung konstruktiver Schizophrenie  anbieten,
die den sich zu ihr Bekennenden als Verhaltensmaxime auferlegt,  so zu handeln, als ob dem (gegenwärtigen sozioökologischen) Niedergang noch Einhalt zu gebieten wäre, die aber doch stets auch damit rechnet, dass das eigene verantwortliche Handeln oder Nicht-Handeln nur noch ein Beitrag zur Vorbereitung des Lebens nach einer – möglicherweise in einer unübersehbaren Kette von Katastrophen erfolgenden – ,Wiederherstellung aller Dinge´(Carl Amery) sein kann.“

Peter Cornelius Mayer-Tasch, 1990

Oil Industy, Big Polluters, National Inquiry on Climate Change, Richard Heede, Manila, Klimawandel, Letzte Generation, Kriminalisierung, IPCC, EEA, Transformation, CO2, Jürgen Schultheis
Proteste gegen die Ölindustrie auf den Philippinen im Zuge der National Inquiry on Climate Change 2018.

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