Klimaschutz in Deutschland und das absehbare Scheitern eines Bundesgesetzes

Klimaschutz und Klimaziele: Die in Teilen erfolgreiche Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung bestätigt die Kritik zahlreicher Umweltorganisationen aus dem Jahr 2019. Darin liegt womöglich eine Parallele zum Maut-Desaster: Das Scheitern war absehbar und wahrscheinlich, und die Gerichte – auch international – nehmen das Thema Klimawandel und Menschenrechte immer stärker in den Fokus.

Im Entwurf des Klimaschutzgesetzes vom Februar 2019 hatte es noch geheißen, dass das Ziel „erreicht wird“ und nicht, wie es im Gesetzestext heißt, „dass man sein Bekenntnis, das Ziel zu verfolgen“, nur bekräftigt. Der Klimaschutzplan, erstmals beschlossen 2016, werde nicht konkret verankert und auch seien keine Überprüfungszeiträume oder Fortschreibungen vorgesehen, heißt es in der Kritik der Umweltverbände.

Klimaschutzgesetz und Pariser Klimaabkommen

„Es ist unverständlich, warum in § 1 des Entwurfs vom Oktober 2019 auf das Pariser Abkommen nur noch als Grundlage verwiesen wird, anstatt die bereits objektiv geltende Ziel-Bestimmung des Pariser Abkommens konkret als gesetzliche Verpflichtung aufzunehmen“, lautete die Kritik der Umweltorganisationen.

Greenpeace e.V, campact e.V., DNR e.V., NABU e.V., WWF, BUND e.V., DUH e.V., Germanwatch e.V., Naturfreunde e.V., Umweltinstitut München e.V.; ClientEarth (Büro Deutschland) hatten zum Entwurf des Klimaschutzgesetzes vom Oktober 2019 Stellung genommen.

Verschiebung der Lasten auf die Zeit nach 2030

Das Bundesverfassungsgericht hat nun argumentiert, dass die teilweise noch sehr jungen Beschwerdeführenden durch die Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt seien. „Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.“ Einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar, heißt es in der Begründung des BVerfG.

Die Entscheidung belegt erneut, welche Bedeutung die Judikative dem Klimaschutzziel inzwischen einräumt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Nov 2020 der Klage von sechs Jugendlichen aus Portugal gegen 32 Staaten wegen Versäumnissen beim Klimaschutz stattgegeben. Beklagt worden sind die EU27, also auch Deutschland, Norwegen, Russland, Schweiz, Großbritannien, Türkei und die Ukraine.

Die Initiative EndEcocide

Auf EU-Ebene hat sich die Bürgerinitiative „EndEcocide“ gebildet. Sie zielt darauf ab, eine neue Direktive der EU zu etablieren, die „weitreichenden Schaden an der Natur, die Zerstörung oder den Verlust eines Ökosystems eines bestimmten Territoriums“ ächtet (Climate Emergency).

Im Juli 2020 haben Repräsentantinnen der Fridays for Future Bewegung, Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Anuna de Wever van der Heyden und Adélaïde Charlier, in einem Offenen Brief an die EU die Forderung bekräftigt, den Ökozid als Verbrechen gegen die Menschenrechte einzustufen.

Klimaschutz: Kohle- und Ölkonzerne
und ihr Anteil am Klimawandel

Die philippinische Menschenrechtskommission hatte bereits im Dez 2019 entschieden, dass die 47 größten Kohle- und Ölkonzerne der Welt gesetzlich haftbar gemacht werden können für die Verletzung der Bürgerrechte und ihren Anteil am Klimawandel.

Der Vorsitzende der Menschenrechtskommission, Commissioner Roberto Eugenio T. Cadiz, sagte zum Abschluss des Verfahrens, dass die Unternehmen – unter ihnen ExxonMobil, Chevron, Shell, BP und Repsol (siehe Grafik auf der folgenden Seite) – „played a clear role in anthropogenic climate change and could be held legally liable for its impacts“. Die juristische Verantwortung für den Klimawandel sei im internationalen Menschenrecht noch nicht verankert, aber die genannten Unternehmen hätten “a clear moral responsibility“.

Isabella Kaminski vom Business & Human Rights Resource Center hatte Anfang Dezember 2019 geschrieben: „Carbon Majors Can Be Held Liable for Human Rights Violations, Philippines Commission Rules“.

Polly Higgins
und der Ökozid

2010 hatte die britische Juristin Polly Higgins der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen auf der UN Klimakonferenz in Cancún einen Vorschlag vorgelegt, wonach Ökozid als fünftes internationales Verbrechen gegen die Menschheit im Römischen Statut anerkannt werden soll.

Die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko, die durch den Brand der Ölplattform Deep Water Horizon ausgelöst worden war, hatte Higgins zum Anlass genommen, ihre Initiative „Wish-20-Initiative“ zu gründen.

Das Römische Statut von 1998 nennt bislang vier Verbrechen, die in unter die Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag fallen:

  • Verbrechen des Völkermords
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • Kriegsverbrechen
  • Verbrechen der Aggression

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