Earth Overshoot Day einmal neu interpretiert: Je weniger polares Meereis, umso größer die Chancen! Das jedenfalls denkt der Teil einer deutschen Volkspartei, die den Namen „Berliner Kreis“ trägt: Eine eisfreie Nordpassage, neue Fischfangmöglichkeiten und besserer Rohstoffabbau, heißt in diesem Kreis, eröffnen Möglichkeiten für die Wirtschaft. Den einseitigen Blick auf den Klimawandel will dieser Kreis überwinden helfen. Dass es ein bisschen wärmer wird – wen sollte das stören?
Man reibt sich verwundert die Augen an diesem Weltumwelttag und fragt sich, ob der Horizont des Berliner Kreises an der Landesgrenze endet.
Dass es dem Riesling hierzulande langsam zu warm wird – dem Biertrinker mag´s egal sein, dem Winzer und Weintrinker bestimmt nicht.
Dass der Rhein, Europas wichtigste Transportroute, in den Sommermonaten bald nur noch eingeschränkt nutzbar sein wird wegen niedriger Pegel als Folge steigender Temperaturen fällt vielleicht schon stärker ins Gewicht. Und hat wirtschaftliche Auswirkungen nicht nur für die Binnenschiffer.
Dass die 40 Staaten des Climate Vulnerable Forums wegen des steigenden Meeresspiegels und zunehmender Dürren seit 2009 für die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaverträglichkeit kämpfen, weil Mitgliedsstaaten wie Vanuatu, Kiribati und die Marshall-Inseln schlicht und ergreifend absaufen, spätestens das sollte dem christlichen Kreis zu denken geben.
Die Biosphäre vergemeinschaftet alle Wirkungen umso stärker, je umfassender unsere Lebens-und Arbeitsweise auf den Planeten wirkt. Wir tragen deshalb Verantwortung für diese Handlungen, weil sie Menschen in anderen Gegenden der Welt die Lebensgrundlage raubt. Daran hat nicht zuletzt der Papst in seiner Enzyklika „Laudato si“ erinnert.
Der Earth Overshoot Day macht uns jedes Jahr bewusst, wann die Ressourcen verbraucht sind, die von der Erde innerhalb eines Jahres reproduziert werden können. 1976 fiel der Tag auf den 17. November, 2016 war es der 3. August.
Wer von eisfreier Nordpassage, neuen Fischfangmöglichkeiten und besserem Rohstoffabbau träumt, sollte seine Partei und vor allem die Wählerinnen und Wähler auf die Rechnung vorbereiten: Wer sein Land verliert, sei es durch Überschwemmungen oder Dürren, der wird sich dorthin aufmachen, wo das Wasser noch fließt und die Wiesen grün sind.
Detlef Esslinger hat am Wochenende einen brillanten Artikel unter der Überschrift „Die Ökokiste“ geschrieben – über den seltsamen Grünstich der Deutschen.