Raus aus Kohle und Öl – die Divestment-Bewegung wächst im hohen Tempo

Mitte September vergangenen Jahres haben – weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit – Hunderttausende in 170 Städte weltweit im Rahmen des Divestment-Movement für die kohlenstofffreie Energieerzeugung und Produktion demonstriert. Die Bewegung, 2012 entstanden, will mit ihrer Forderung den Klimawandel begrenzen und das Verhalten institutioneller und privater Investoren verändern, die jährlich rund 670 bis 700 Milliarden Dollar in die Erkundung und Ausbeutung von Öl- und Kohlevorkommen investieren. Die Verbrennung von Kohle und Öl erzeugt Kohlendioxid, das als Hauptanteil der Treibhausgabe den Klimawandel verursacht.

CB_08Das Geld für Kohle und Öl könnte aber vergebens investiert worden sein, sofern die Staaten der Welt angesichts des dramatischen Klimawandels härtere Restriktionen beschließen sollten und die Vorkommen nicht mehr ausgebeutet werden könnten. Experten schätzen, dass Anlagen in Kohle und Öl im Wert von rund 6,7 Billionen Dollar weltweit dann als nicht mehr verwertbar, als „unburnable“ bewertet werden müssten, was einem Verlust des investierten Geldes gleichkäme. Seither ist die Rede von der Carbon Bubble, der Kohlenstoffblase, deren Volumen und Auswirkungen weit dramatischer sein könnte als die Immobilienblase, die 2009 einer der Auslöser der weltweiten Finanzkrise war. Einer der Gründer der Divestement-Bewegung, Bill McKibbon, hat das im Interview mit Bloomberg erläutert:

 

 

McKibbon sagt, Divestment sei die am schnellsten wachsende Bewegung in der Geschichte. Inzwischen haben mehr als 220 Städte, Unternehmen und Institutionen sich zum Divestment entschlossen (eine Auswahl am Ende des Beitrages). Die bislang spektakulärste Entscheidung trifft das norwegische Parlament vermutlich am 5. Juni: Der Norwegische Staatsfonds, mit seinem Volumen von 900 Milliarden Dollar der größte der Welt, will seine Investments aus jenen Unternehmen abziehen, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohleförderung oder der Verbrennung von Kohle machen. Die konservative Regierung und die Opposition unterstützen die Entscheidung.

Der britische Guardian erläutert in einem Video die Entstehung und die Risiken der Carbon Bubble

„Wir erwarten, dass Milliarden Euro aus der Kohleindustrie abgezogen werden, sollte das passieren“, sagt Truls Gulowsen von Greenpeace. „Das ist ein großer Sieg für das Divestment-Movement und ein Zeichen der Hoffnung, dass das Verhalten von Investoren verändert werden können.“
Die UN unterstützen die Ziele der Divestment-Bewegung: “We support divestment as it sends a signal to companies, especially coal companies, that the age of ‘burn what you like, when you like’ cannot continue”, sagte Nick Nuttall, Sprecher des UNFCCC, dem britischen Guardian Mitte März. Auch die G20-Gruppe und die EU beschäftigen sich mit dem Thema.

Bloomberg_CB_1aDie Debatte über Divestment hat längst auch die Finanzmärkte erreicht: Kevin Bourne, Managing Director. Beim Londoner Aktienindex FTSE, sagte der Financial Times Ende April: „This is one of the fastest-moving debates I think I’ve seen in my 30 years in markets.” Die Bank of England prüft, für welche Strategie sie sich in dieser Frage entscheiden wird. Das geht aus einem Brief hervor, den Direktor Mark Carney an das Environmental Audit Comittee des britischen Parlaments geschrieben hat.

Im Europaparlament heben die Grünen, vor allem Reinhard Bütikofer und Sven Giegold, das Thema seit vergangenem Jahr auf die Tagesordnung des Parlaments. Inzwischen reagieren auch die bundesdeutschen Grünen, nachdem am Wochenende die Süddeutsche Zeitung das Thema kommentiert hat und der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe das Thema behandelt.

Die Bundesregierung sieht Klärungsbedarf über die Gefahren, die von einer sogenannten Carbon Bubble („Kohlenstoffblase“) auf den Finanzsektor ausgehen könnten, schreibt SPIEGEL online am Wochenende. Die Regierung prüfe die Möglichkeit, ein Forschungsgutachten hierzu in Auftrag zu geben, heißt es laut SPIEGEL in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion (SPIEGEL).

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn sieht umgehend Diskussionsbedarf: „Das Thema gehört auf die Agenda der G7“, sagte sie dem Nachrichtenmagazin.

 

Eine Liste der Divestments hat der britische Guardian vor einer Zeit veröffentlicht:

April 2013 San Francisco and Seattle divest from fossil fuels
October 2013 Quakers in Britain divest
February 2014 New School, New York divests from fossil fuels
May 2014 Stanford university divests from coal
June 2014 British Medical Association divests
July 2014 World Council of Churches rules out fossil fuel investments
September 2014 Rockefeller Brothers Fund divests from fossil fuels
September 2014 Oxford City council divests from fossil fuels
October 2014 Glasgow University divests from fossil fuels
October 2014 Australian National University divests from fossil fuels
November 2014 Victoria University, New Zealand divests from fossil fuels
April 2015 Syracuse University divests from fossil fuels
April 2015 Guardian Media Group divests from fossil fuels
April 2015 Soas, University of London divests from fossil fuels
April 2015 Church of England divests from thermal coal and tar sands
May 2015 London School of Hygiene and Tropical Medicine divests from coal
May 2015 Oxford University rules out investing in coal and tar sands

Bill McKibbons Website. www.350.org

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