„Eine langfristige Finanzierung
sollten die Betreiber im Blick haben“

Bedarfsverkehre (On Demand Verkehre) haben in den vergangenen Jahren die Attraktivität des Öffentlichen Verkehrs erhöht. Sie füllen dort eine Lücke im Personennahverkehr, wo Linienverkehre wenig oder kaum ausgelastet und entsprechend teuer sind – am Stadtrand und in ländlichen Regionen. Die Angebote verringern die Abhängigkeit vom Auto, werden von allen Altergruppen angenommen und sind vor allem bei älteren und mobiltätseingeschränkten Menschen beliebt. Auch Jugendliche steigen gern in die Rufbusse ein, wenn wochenends On Demand Dienste rund um die Uhr angeboten werden.

Trotz aller Erfolge ist die Zukunft der On Demand-Angebote nicht gesichert: Häufig ist der Betrieb der Dienste fördermittelabhängig. Wo Geld von Bund oder Land aber fehlt, weil die Förderung ausläuft, können Kommunen wegen knapper Mittel nur selten Geld nachschießen. Ein Beispiel ist efi, das On Demand-Angebot der wupsi GmbH, das zum Jahresende 2024 eingestellt worden ist. Im Interview mit dem Verkehrskontor FrankfurtRheinMain berichtet wupsi-Geschäftsführer Marc Kretkowski über den Aufbau des Angebotes, den Zuspruch der Fahrgäste und über die Lehren aus dem Betrieb.

Seit Anfang 2019 ist die Zahl der On Demand Angebote in Deutschland von damals zehn auf heute mehr als 80 Mobilitätsdienste angewachsen. Mehr als 400 Fahrzeuge sind inzwischen bundesweit unterwegs, in mehreren Teilprojekten auch autonom auf Level 4 (Hamburg, Berlin und Darmstadt/Kreis Offenbach). Vor allem am Stadtrand, in peripheren oder ländlichen Räumen werden die Bedarfsverkehre in wachsendem Maße genutzt. Fahrgäste schätzen die Angebote in besonderem Maße, weil sie Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen und den Verzicht auf den eigenen Pkw erleichtern.

Marc Kratkowski, wupsi, efi, On Demand Verkehr, Mobilität, Verkehr, Mobilitätswende, Verkehrswende, Jürgen Schultheis, Verkehrskontor FrankfurtRheinMain, Ingo Wortmann, Andreas Maatz, Wolfgang Inninger, Meinhard Zistel, VDV, „Diese Entwicklung zeigt eindrucksvoll, dass die Branche den politischen Auftrag aus der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes umsetzt: Die Verkehrsunternehmen und Verbünde sind dabei, überall in Deutschland neue Linienbedarfsverkehre anzubieten und bestehende Angebote auszubauen“, sagt der Präsident des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann.

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VDV-Präsident Ingo Wortmann. (Bild: VDV)

So erfolgreich On Demand Services sind, so gefährdet ist ihr Regelbetrieb, weil die Angebote im Regelfall über Fördermittel des Bundes finanziert werden. Das Beispiel efi zeigt, was passiert, wenn Fördermittel nicht mehr fließen und die Kommunen wegen knapper Mittel kein Geld mehr geben können, um das Angebot aufrecht zu erhalten. efi war das On Demand Angebot der wupsi GmbH, das kommunale Nahverkehrsunternehmen mit Sitz in Leverkusen, das den größten Teil des Linienbusverkehrs in Leverkusen und viele Linien im Rheinisch-Bergischen-Kreis betreibt. Zum Jahresende 2024 ist der Betrieb von efi im Zuge von Sparmaßnahmen eingestellt worden.

Wie die On Demand-Angebote auf Dauer in Deutschland gesichert werden können, ist derzeit offen. Welche Möglichkeiten es gibt, die Services fördermittel- und konjunkturunabhängig zu finanzieren, diskutieren wir am Donnerstag 30. Januar 2025, im Offenbach Institut für Mobilitätsdesign (OIMD).

Infos und Anmeldung unter https://bit.ly/3ZXEph3. Die Veranstaltung wird unterstützt vom OIMD und dem Verein zur Förderung der Verkehrswissenschaften in der Region FrankfurtRheinMain (VFV).

Marc Kretkowski ist seit acht Jahren Geschäftsführer der wupsi GmbH und vor 14 Jahre beim wupsi-Vorgänger Kraftverkehr Wupper-Sieg AG eingestiegen.

 

Herr Kretkowski, weshalb haben sie das On Demand Angebot efi Ende 2022 eingeführt?

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Marc Kretkowski, Geschäftsführer der wupsi GmbH. (Bild: wupsi GmbH).

Als eines von zwölf Modellprojekten hatten wir das große Glück, im Rahmen einer Förderung durch das BMDV unseren On Demand Verkehr (ODV) efi – gepaart mit einigen Optimierungen im Busverkehr – einzuführen und zu testen. Unsere Aufgabe als Verkehrsunternehmen ist es, den ÖPNV auch in die entlegensten Ecken zu bringen, um auch dort den Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Das Akronym „efi“ steht für „einfach, flexibel, individuell“.

Der ODV sollte die zeitliche und räumliche Verfügbarkeit von Mobilitätsangeboten insbesondere in Bereichen mit keinen oder nur schwach nachgefragten Busangeboten spürbar verbessern. Mit efi konnten wir vernetze Mobilität nun ganz anders denken, da sie die Menschen auch abseits der Hauptachsen nachfrageorientiert und ohne festen Fahrplan an den ÖPNV anbinden konnte.

Das Projekt sollte den Zugang zum ÖPNV für die breite Bevölkerung und zahlreiche Zielgruppen, etwa SchülerInnen, PendlerInnen und SeniorInnen, im urbanen als auch im suburban und ländlichen Raum verbessern und somit eine stärkere Vernetzung der Region gewährleisten.

Wie viele Fahrzeuge waren in Betrieb und wie viele Fahrgäste hat efi befördert?

Gestartet sind wir mit 15 elektrisch betriebenen LEVC-TX5-Fahrzeugen, auch bekannt als London-Taxis, welche bei den Kunden sehr beliebt waren. Die gesamte Flotte war allerdings sehr fehleranfällig, und die Ersatzteillieferung mehr als nur langwierig.

Da es unser Ziel war, eine hohe Verfügbarkeit, Effizienz und Verlässlichkeit für unser On Demand Angebot zu gewährleisten, haben wir uns schließlich dazu entschieden, die LEVC-Flotte komplett durch neue, reinelektrische und ebenso komfortable „Mercedes-Benz eVito“ und „Mercedes-Benz EQV“ umzustellen.

Ergänzt wurde die neue Flotte durch ebenfalls neue und barrierefreie Fahrzeuge des Models „Sprinter“. Im Zeitraum zwischen Dezember 2022 und Dezember 2024 wurden insgesamt knapp mejr als 200.000 Fahrten durchgeführt, mit denen insgesamt mehr als 250.000 Fahrgäste befördert werden konnten.

Wie haben die Fahrgäste das Angebot angenommen?

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Eines von 15 elektrisch betriebenen LEVC-TX5-Fahrzeugen (London-Taxis), die efi genutzt hat. (Bild: wupsi GmbH)

efi hatte sich schnell als vollwertiges ergänzendes Mobilitätsangebot etabliert, sowohl bei den Nutzerinnen und Nutzern als auch in den betrieblichen Strukturen. Das Angebot und die gesamte Marke „efi“ erfreute sich durch alle Altersgruppen hindurch großer Bekanntheit und Beliebtheit, was uns als Unternehmen sehr stolz macht, denn wir haben sehr viel Herzblut in ihre Entwicklung gesteckt

Wie haben Sie efi finanziert?

Da wir das große Glück hatten, aus 160 Bewerbungen für eine Förderung ausgewählt zu werden, wurde das Projekt zum großen Teil durch Bundesfördermittel finanziert. Das Förderprogramm „Modellprojekte zur Stärkung des ÖPNV“ des BMDV unterstützt Projekte, die durch ein attraktives Mobilitätsangebot nachhaltig die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich reduzieren.

Welche Herausforderungen mussten Sie meistern?

Nur sechs Monate nach Launch unseres ODV hat der damalige Dienstleister „CleverShuttle“ Insolvenz angemeldet, wodurch wir kurz nach dem Start des Angebotes vor der Herausforderung standen, das Angebot auch weiterhin bestehen zu lassen. In einer „Nacht und Nebelaktion“ haben wir innerhalb von ein paar Wochen einen Betreiberwechsel organisiert und durchgeführt.

Die Herausforderung bestand darin, den Wechsel so unkompliziert wie möglich für die Kunden über die Bühne zu bringen, was uns sehr gut gelungen ist. Am Ende war es für den Kunden tatsächlich nur der Wechsel auf eine neue App, während es für uns im Hintergrund eine große Herausforderung darstellte.

Warum haben Sie efi  zum Jahresende 2024 eingestellt?

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Protest gegen die Einstellung des On Demand-Angebotes efi.

Zum Jahresende 2024 lief die Förderung des BMDV planmäßig aus. Unsere Aufgabenträger, die Stadt Leverkusen und der Rheinisch Bergische Kreis, hätten die Kosten ab dem Jahr 2025 vollständig selbst tragen müssen. Vor diesem Hintergrund haben wir frühzeitig optimierte Betriebskonzepte erarbeitet, die den On-Demand-Verkehr auch nach Ablauf des Förderzeitraums sichern sollten. Angesichts knapper Haushaltskassen und einem Haushaltssicherungskonzept waren die Aufgabenträger jedoch dazu angehalten, Einsparpotenziale zu definieren, worunter leider auch die Einstellung des ODV efi fiel.

Was empfehlen Sie anderen Anbietern, wenn sie ein On Demand Angebot aufbauen und betreiben wollen?

Eine langfristige Finanzierung sollten die Betreiber im Blick haben. Eine Integration in den bestehenden ÖPNV ist unausweichlich, d.h. der On-Demand-Verkehr muss seinen eindeutigen Platz zwischen liniengebundenen Angeboten und z.B. Taxi finden, um sein volles Potenzial nutzen zu können und um „Konkurrenz“ zu bestehenden Angeboten zu vermeiden.

Hierfür ist es unumgänglich, einen geeigneten Anwendungsfall für das eigene Produkt zu konzipieren. Eine Basis dafür wäre eine Analyse der Nachfragestruktur und der betrieblichen Potenziale von Busverkehr und On-Demand-Verkehr, um eine sinnvolle Koexistenz beider Angebote zu gewährleisten. Dazu gehört auch eine Nachfragesteuerung über den Preis, die häufig unausweichlich ist, um das Produkt wirtschaftlich betreiben zu können.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Eine langfristige Finanzierung von Mobilitätsangeboten, die über den klassischen ÖPNV hinausgehen und die damit verbundene Offenheit für bedarfsorientierte Mobilität.

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