Die politischen Forderungen der Parteien für das Programm der neuen Bundesregierung für die Wahlperiode 2025 bis 2029 zeichnen sich durch unterschiedliche Nähe und Ferne zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen aus. Besonders deutlich wird das angesichts des menschengemachten Klimawandels und der Strategie, wie der Wandel verlangsamt und die Folgen gemildert werden können. Das Führungspersonal der FDP etwa vertritt in der Verkehrspolitik Positionen, deren Grundlage die marktradikale Ideologie der Mont Pèlerin Society und ihres Gründers Friedrich August von Hayek bildet. Mit dem Begriff der „Anmaßung des Wissens“ werden Forschungsergebnisse generell in Frage gestellt.
Das Engagement von CDU, CSU, AfD, FDP, BSW und der Freien Wähler, den energetisch ineffizienten, auf Dauer teureren und ökologisch unverantwortlichen Verbrenner auch nach 2035 erhalten zu wollen, hat jenseits tagesaktueller Forderungen tiefere Ursachen. Neben einer wachsenden Wissenschaftsskepsis und der damit verbundenen Irrationalität ist es die Ideologie marktradikaler, klimaskeptischer und den Klimawandel leugnenden US-Denkfabriken, deren Einfluss in Deutschland besorgniserregend zunimmt.
In der Verkehrspolitik fordert die Christian Lindner-FDP die Auflösung des Umweltbundesamtes, das Marco Buschmann „eine staatlich organisierte Aktivisteneinrichtung“ nennt. In Hessen will die FDP das Ende des Klimabeirates. Sie plädiert für das Aus für das Verbrenner-Aus 2035 und des Gebäudeenergiegesetzes. Die FDP lehnt ferner ein Tempolimit auf Autobahnen und das Ziel ab, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Die Zielerreichung soll auf 2050 verschoben werden.
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Eine ähnliche Strategie haben die Freidemokraten unter Mitwirkung von SPD und Bündnis90/Die Grünen auch im Fall des Klimaschutzgesetzes erfolgreich angewendet. Statt wie bisher spezifische Sektorziele festzuschreiben und die Menge zu definieren, in welchem Umfang die Emissionen jährlich in jedem Sektor, etwa im Verkehrssektor, reduziert werden müssen, gilt seit 2023 eine neue Regelung: Danach muss die Minderung der Emissionen um 88% erst 2040 erreicht werden – ohne jährliche Überprüfung, ob der Minderungspfad eingehalten wird. Um dann – nach der Regelung von 2023 – im Jahr 2045 klimaneutral zu sein.
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Auslöser für den FDP-Vorstoß war die wiederholt gescheiterte Einhaltung der Sektorziele im Ressort von Verkehrsminister Volker Wissing und der Tatsache, dass das Ministerium den Empfehlungen der im Zuge des Klimaschutzgesetzes einberufenen Expertenkommission nicht nachgekommen ist.
Jetzt will die FDP die gesetzliche Regelung erneut entschärfen und die Klimaneutralität erst 2050 erreichen.
Die ideologischen Wurzeln dieser gegen Klima- und Menschenschutz gerichteten Politik liegen im Denken von Friedrich August von Hayek und der von ihm gegründeten der Mont Pèlerin Society (MPS). Die Gesellschaft, eine der unbekanntesten Organisationen weltweit und zugleich eine der mutmaßlich einflussreichsten, predigt einen Marktradikalismus, der gegen ökologische Zusammenhänge vollkommen blind ist und naturwissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie etwa von der Erdsystemforschung vorgelegt worden sind und mit den planetaren Belastungsgrenzen beziffert werden.
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(Bild: J. Schultheis)
Die Ideen speist die Mont Pèlerein Society über das von Hayek beförderte globale Atlas-Netzwerk mit seinen 600 libertären und neoliberalen Denkfabriken ein, zu dem u.a. auch die Prometheus-Stiftung gehört, die der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler gegründet hat.
Zum Atlas-Netzwerk gehören u.a. das Cato-Institut, das Heartland-Institut und die Heritage Foundation, die einflussreichsten Klimaleugner-Denkfabriken der Welt. Heritage hat etwa für Trump das Programm „Project 2025“ ausgearbeitet.
Die Prometheus Stiftung der FDP ist auch aus dem Atlas-Netzwerk finanziert worden.
Christian Lindner und sein 2022 bestellter Chefberater Lars Feld wiederum waren bzw sind Mitglieder der Mont Pèlerien Gesellschaft. Feld ist ferner Mitglied der Stiftung Marktwirtschaft und ein gern gesehener Gast der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Friedrich Merz ist über den Think Tank „The Republic“ des CSUlers Armin Petschner-Multari im Umfeld der Heritage Foundation unterwegs.
Der Schlüsselbegriff der marktradikalen Klimaskeptiker und -leugner ist Hayeks Formulierung von der „Anmaßung des Wissens“ – der Zweifel daran, dass Menschen und Institutionen je über genug Wissen verfügen, um regulierend in den Markt eingreifen zu können. Das gilt auch für die Wissenschaft. Egal, wie viel die Wissenschaften zu wissen annehmen, „über das entscheidende Wissen verfügt nur der Markt“, sagt Hayek. Lindner hat diese Wendung von der „Anmaßung des Wissens“ 2021 aufgegriffen.
Das sind die ideologischen Grundlagen der aktuellen Repräsentanten der genannten Parteien, allen voran die der FDP: kurzfristige Klientelpolitik im Interesse der Konzerne gegen eine langfristig ausgerichtete Politik des Allgemeinwohls.
Dass die AfD mehr noch als die FDP der Ideologie der MPS anhängt, sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Was auch kaum wundert angesichts einer Vorsitzenden, die nach dem Studium bei der Investmentbank Goldman Sachs begonnen hat, für die Credit Suisse tätig war und im Vorstandsbüro von Allianz Global Investors gearbeitet hat.