Regionalpark, Metropolregion FrankfurtRheinMain. Landschaftsarchitektur

Kulturlandschaft und Lebensqualität –
die Aufgabe der Landschaftsarchitektur

Die Gestaltung der Metropolregion FrankfurtRheinMain ist ein Dauerthema seit den späten 70er Jahren. Doch seit der Emnid-Umfrage und der Erklärung der Oberbürgermeister im Sommer 1991, dem von der Frankfurter Agentur Citigate Demuth vorgelegten Entwurf für eine Internationale Bauausstellung 2005 und dem neuerlichen Versuch 2001 ist wenig passiert. Heute dominiert eine überwiegend ökonomische Sicht die Debatte über die Metropolregion, wie sie etwa von der Initiative der IHKs der Region unter dem Titel Perform geführt wird. Zugleich arbeiten Stadt und Region am Programm für die World Design Capital (WDC), den Titel, den FrankfurtRheinMain für 2026 zugesprochen bekommen hat.

Das globale Alleinstellungsmerkmal der Metropleregion FrankfurtRheinMain gerät dabei aus dem Blick: Die Region als Stadt und die Stadt war ein Slogan, den die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) in den 90er Jahren geprägt und diskutiert hat – und der die Region mit ihrer Vielgliedrigkeit, ihrem historischen und architektonischen Reichtum und der attraktiven Kulturlandschaft, in der die Städte eingebettet sind und die eine hohe Lebensqualität, nahezu ideal beschreibt.

(Bild: Regionalpark RheinMain)

Diese Kulturlandschaft zu erkennen und zu gestalten, war eines der Themen, die vor 25 Jahren im Kontext der Debatte über die Zukunft von FrankfurtRheinMain intensiver und vor allem umfassender diskutiert worden sind. Welche Aufgabe Landschaftsarchitekten dabei übernehmen können, habe ich auf Einladung des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA) in einem Vortrag bei der Klausurtagung in Kloster Maurach im Jahr 2000 erläutert.

 

Xavier Guiomar gehört zu jener Schar von freundlichen und kompetenten Menschen in Europa, die vom Bund Deutscher Landschafts-Architekten vermutlich noch nichts gehört haben, wie umgekehrt wahrscheinlich kein deutscher Landschaftsarchitekt den Franzosen bislang getroffen hat. Nun könnte könnte man geneigt sein, aus diesem Umstand keine große Geschichte zu machen, zumal sich die meisten Europäer nicht kennen. Aber Xavier Guiomar arbeitet wie etwa 100 andere Menschen in England, Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden an einem Problem, das mit der Profession des Landschaftsarchitekten recht viel zu tun hat. Der Mann von der Bergerie Nationale de Rambouillet im Südwesten von Paris beschäftigt sich nämlich mit der Frage, wie und mit welchen Mitteln in den nordwesteuropäischen Metropolregionen eine nachhaltige Entwicklung des Freiraumes möglich ist, wobei als Ziel des Projektes so etwas wie eine grüne Metropolis beschrieben wird.

Daran mitzuwirken, zumal für Landschaftsarchitekten, erscheint mir ein lohnenswertes und in der Öffentlichkeit leicht zu vermittelndes Ziel. Merkwürdigerweise melden sich Landschaftsarchitekten – soweit ich es in der Regionaldiskussion beobachten kann – nicht in dem Maße zu Wort, wie es ihrer Profession angemessen wäre. Es mag einzelne Ausnahmen geben, etwa die hessischen Landschaftsarchitekten, die sich zu Beginn des Jahres in die Debatte über die Zukunft des Rhein-Main-Gebietes dankenswerterweise eingemischt haben. Aber die Stimme der grünen Experten ist in der Regionalisierungsdiskussion laut und vernehmlich nicht zu hören.

Die Qualität des Kulturraums vermitteln

Dabei gäbe es viel zu tun, zumal die meisten Menschen in Europa inzwischen in expandierenden Stadtregionen leben und gerade aus Wachstum und Prosperität Probleme entstehen, die auch den Sachverstand des Landschaftsarchitekten erfordern. Ihm kommt m.E. die Aufgabe zu, den Menschen die Qualität des Kulturraumes, in dem er lebt, erst einmal zu vermitteln. Denn: Seit den Untersuchungen Kevin Lynchs, Architekt und Stadtplaner Mitte der 50er Jahre am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wissen wir, dass die Vorstellung von einem Raum und der Raum selbst bei den Menschen fast nie deckungsgleich sind. Was wir von unserer Umwelt wahrnehmen und wie sie objektiv gegliedert ist, unterscheidet sich. Was gelegentlich dazu führt, dass im Grunde wertvolle, aber durch täglichen Gebrauch nicht als solche erlebte Landschaft, Flächen, mit denen wir leichtsinnigerweise nichts oder wenig verbinden, allzu leicht geopfert werden für manchmal umstrittene Expansionsprojekte .

 

Offenbar stört es uns nicht, dass jedes Jahr in Deutschland etwa 40.000 Hektar für Straßen und Bauflächen verbraucht werden. 40.000 Hektar einer Ressource, die nicht erneuerbar ist oder nur dann zurückgewonnen werden könnte, wenn Städte bereit wären, mit gigantischen, d. h. nicht vorhandenen, Summen großflächige Rekultivierungsprogramme aufzulegen. Aber das wird ebenso wenig eintreten wie eine Kursänderung im Flächenverbrauch abzusehen ist. Xavier Guiomar, unser französischer Repräsentant der Idee einer grünen Metropolis, hat das kürzlich bei einem Treffen von sieben kooperierenden europäischen Regionen (Sustainable Open Space-Projekt) knapp und präzise zusammengefasst, als er sagte, dass wir Flächen verbrauchen wie das Benzin für unsere Autos.

Es sind Ingenieure, die daran arbeiten, den Benzinverbrauch der Autos zu reduzieren, weil wir so wenig ohne Fahrzeuge auskommen, wie wir auf maßvollen Flächen-verbrauch verzichten können, wollen wir unsere Metropolregionen nicht zu erstarrten Museumslandschaften ohne Perspektive umwidmen.

Ich bin überzeugt, dass dem Landschaftsarchitekten in dieser Situation die gleiche Aufgabe wie dem Ingenieur zukommt, wobei der Landschaftsarchitekt daran mitarbeiten müsste, nach Möglichkeiten und Verfahren zu suchen, wie der Flächenverbrauch reduziert oder Freiflächen aufgewertet werden könnten. Ja, es wäre seine originäre Aufgabe – sie gestatten mir die Wiederholung-, den Menschen zu vermitteln, welche Bedeutung die offene Kulturlandschaft für seine Lebensqualität hat, ausgeräumte Landschaften durch Gestaltung aufzuwerten und sie den Bürgern als wertvoll zu übereignen. Gelänge ihm das, gelänge es ihm, ein Bewusstsein für Landschaft zu wecken, so verschieden sie sein mag, hätte er einen wichtigen Beitrag geleistet, weil dort, wo über das Bewusstsein eine starke Bindung an Landschaft entsteht, die wertvolle Ressource vielleicht weniger gefährdet ist, weil die Menschen bereit wären, sich für ihre Lebenswelt einzusetzen und sie zu schützen.

Der Landschaftsarchitekt soll sich einmischen, und zwar dort, wo der Siedlungsdruck und damit der Flächenverbrauch am größten sind, nämlich in jenem ungestalteten Niemandsland zwischen den Kernstädten und dem Umland. Ich möchte den Landschaftsarchitekten in die Pflicht nehmen, den Wert von Landschaft zu vermitteln (diskursiv) und diese Landschaft durch die Mittel, die er zur Verfügung hat, erfahrbar zu machen (ästhetisch). Kevin Lynch, von dem die Rede war, hat fünf Gestaltelemente aufgelistet, anhand derer Menschen den Raum strukturieren, in dem sie leben: Wege, Grenzlinien, Bereiche, Brennpunkte und Merk- oder Wahrzeichen. Elemente mithin, die dem Arbeitskoffer des Landschaftsarchitekten entlehnt sein könnten.

Wer seine Lebenswelt gestalten will, wer von der Idee der grünen Metropolis überzeugt ist, weil er künftigen Generationen vielleicht eine lebenswerte Zukunft ermöglichen will, kommt nicht umhin, sich stärker in die Debatten um die Gestaltung der Regionen in Europa einzumischen. Dort, in den Kraftzentren der Europäischen Union, wird darüber entschieden, welche Qualität unsere Lebenswelt haben wird. Und aus dieser Perspektive erscheint mir der Landschaftsarchitekt der natürliche Partner des Hochbauarchitekten, der maẞgeblich und bislang mit zu großer Dominanz das Bild der Stadtregionen prägt.

Und beide hätten für diese Projekte starke Partner: Seit Anfang der 90er spiegeln sich die wachsende Bedeutung der Regionen und die Frage der Lebensqualität in den Regionen immer häufiger in einschlägigen Papieren der EU und der Bundesrepublik nieder: Angefangen von den Raumordnungspolitischen Handlungs- und Orientierungsrahmen über das Europäische Raumentwicklungskonzept (Eurek) bis hin zur ,,Neuen Charta von Athen“, die vom European Council of Town Planers vor zwei Jahren verabschiedet worden ist, und dem Weltbericht über die Zukunft der Städte, von Sir Peter Hall und Ulrich Pfeifer zum Weltkongress der Städte Urban 21 in Berlin vorgelegt. Überall steht die Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität, der Freiraumschutz und die Frage der „,Lebenswerten Stadt“ im Mittelpunkt der Erörterung.

Öffentlichkeit ist zu diesen Fragen längst hergestellt. Wer sich dieser Fragen annimmt, gelegentlich vielleicht auch die Vertreter der Medien lehrt, Landschaft zu sehen und Gefährdungen zu registrieren, muss sich nicht auf die Suche nach Öffentlichkeit begeben – der ist längst Teil dieser Öffentlichkeit.

Dazu aber gehört die Bereitschaft, sich einzumischen. Und daran mangelt es offenkundig, weil die Lust an der Selbstbespiegelung und ein gewisses Maß an Larmoyanz die Kräfte bindet. Dafür ist längst keine Zeit mehr. Sie werden da draußen dringend gebraucht, meine Damen und Herren!

Klausurtagung in Maurach 2000

Landschaftsarchitekten, Heft 3 / 2000

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