Sektorenkopplung ist einer der Schlüssel für die überfällige Wende nicht nur im Verkehrssektor. Sektorenkopplung bedeutet, Verkehrs- und Energiewende zusammenzudenken. Sektorenkopplung bedeutet aber auch, die Digitalisierung als Chance zu nutzen, das Angebot und die Nachfrage nach „sauberer“ Energie effizient zu steuern. Und sie muss Ressourceneffizienz als weiteres Element integrieren und darf die sozialen Aspekte – und die Risiken – nicht außer acht lassen.
Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, werden bislang aber kaum reflektiert. Die Nachfrage nach regenerativ erzeugtem Strom für die nahezu emissionsfreie Mobilität mag in absehbarer Zeit befriedigt werden können. Kaum beachtet wird dabei aber die Herausforderung, die sich durch das Lastenmanagement im Stromnetz und durch die Verteilung der Energie ergibt. Oder durch den Strombedarf hochleistungsfähiger Datencenter, die über Cloudtechnologien vernetzt sind und eines Tages etwa das autonome Fahren ermöglichen sollen und die infrastrukturelle Basis für die Industrie 4.0 schaffen.
Ein Vortrag beim Earth Day 2018 in der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, der in Kooperation mit dem US Generalkonsulat veranstaltet worden ist. Im Bild (v.l.): Dr. Gerhard Wiesinger, US-Generalkonsulat Frankfurt, Leiter Public Affairs, Jürgen Schultheis, Senior Manager, House of Logistics and Mobililty (HOLM) GmbH, Derek M. Pankratz, Senior Research Manager Deloitte Services LP, Center for Integrated Research, Milwaukee (USA), Thomas Dannenmann, Präsident Earth Day Deutschland, und Stefan Franke, Masterplanmanager 100% Klimaschutz, Landkreis Marburg-Biedenkopf.
Intel-Chef Brian Krzanich hat vor bald zwei Jahren auf einen simplen Fakt hingewiesen: Wenn nur zehn Prozent der in den USA zugelassenen Fahrzeuge autonom führen (Level 5), würden pro Tag 38 Zettabyte Daten generiert und verarbeitet werden müssen.
Die International Data Corporation (IDC) schätzt die Menge der gesamten, im Netz ausgetauschten Daten für 2018 auf 33 Zettabyte. Kurzum: Nur zehn Prozent autonom fahrender Pkw in den USA würden allein soviel Datenstrom erzeugen wie heute die gesamte Welt im Netz generiert.
Enormer Bedarf an „sauberem“ Strom
Wie die benötigte „saubere“ Energie für die Zahl der exponentiell wachsenden Rechenzentren bereitgestellt werden kann, wird heute bestenfalls in internen Kreisen der Betreiber von Rechenzentren und/oder bei großen Energieversorgern diskutiert. Und vielleicht sogar im Wirtschafts- und/oder Umweltminusterium in Berlin.
Die Antworten auf diese Frage sind von fundamentaler Bedeutung für die Entwicklung der Industrie- und Servicegesellschaft vor dem Hintergrund eines an Dynamik gewinnenden Klimawandels. So selbstverständlich die Schlagworte vom autonomen Fahren, von der Industrie 4.0 oder ganz allgemein von der Digitalisierung genannt werden – so ungelöst ist die Frage, wie die Energie bereitgestellt und verteilt werden kann.
Die aktuellen Probleme beim Ausbau von Anlagen, die erneuerbare Energie bereitstellen, der wachsende, zum Teil von interessierte Seite gut organisierte Widerstand gegen den Bau von Windkraftanlagen und die in Teilen der Politik zu beobachtende langsame Distanzierung vom Entschluss, konsequent die Energiewende voranzutreiben, lassen die Hoffnung schwinden, dass die Sektorenkopplung mittelfristig realisiert werden kann.
Überlastung im Netz – und Braunkohlekraftwerke liefern weiter „schmutzigen“ Strom
Allein der stockende Ausbau der Verteilernetze und die Tatsache, dass immer wieder Windkraftanlagen vom Netz genommen werden müssen, weil die Netze überlastet sind, belegt das Dilemma. Zur gleichen Zeit liefern Braunkohlekraftwerke für die Grundlast den schmutzigsten Strom, den man in Deutschland erzeugen kann. Darüber hinaus wird für den „sauberen“ Strom, der nicht ins Netz eingespeist wird, über das EEG fleißig gezahlt. In den vergangenen Jahren ist die Summe auf insgesamt mehr als eine Milliarde Euro angewachsen.
Die Sektorenkopplung und die sie begleitenden Prozesse wie Digitalisierung und Ressourceneffizienz müssen komplexer gedacht und in einen Prozess respektive in eine Strategie zusammengedacht werden. Das wird derzeit aber weitgehend unterlassen, wertvolle Zeit vertan, die wir brauchen, um die Wirtschaft und unseren Alltag insgesamt zu dekarbonisieren – wie es der G7-Gipfel in Schloss Elmau 2015 beschlossen hat (Dokumente).
Link zur Ankündigung des Earth Day 2018.